Die zweite Staffel von "Promis unter Palmen" sorgte bei Sat.1 vor einigen Wochen für einen echten Skandal. Homophobe Äußerungen, die ungefiltert wiedergegeben wurden, überschatteten die Auftaktfolge. Das Krisenmanagement des Senders ließ ebenfalls zu wünschen übrig. Nach der zweiten Folge und dem überraschenden Tod von Willi Herren, der ebenfalls Kandidat in der Show war, wurde das Format dann ganz abgesetzt. Doch vom Trash-TV generell will man sich bei Sat.1 dennoch nicht trennen. Ganz im Gegensatz zum Schwestersender ProSieben. Dort wird verstärkt auf Informationssendungen und seriöse Inhalte gesetzt.
Mit Linda Zervakis holte man sich kürzlich sogar ein ARD-Gesicht für ein eigenes Nachrichtenformat ins Haus. Allerdings wird es auch bei ProSieben weiterhin Reality-Shows geben. Nach zehn Jahren Pause kündigte der Sender für 2021 eine Rückkehr von "Die Alm" an, die einst Kader Loth groß gemacht hatte.
Am Donnerstag startete nun das Format, das ProSieben allerdings keineswegs in eine Schublade mit "Promis unter Palmen" oder "Promi Big Brother" stecken möchte. Doch ist "Die Alm" tatsächlich anders als die anderen kursierenden Trash-Formate? Und wenn ja, wie erfolgversprechend ist die Show dann überhaupt? Denn schließlich lechzt der Trash-TV-Fan ja förmlich nach Streit und Skandalen, und auch in der Auftaktfolge der neuen "Alm"-Staffel gab es erste Unruhen.
Bei der Pressekonferenz zum Start von "Die Alm" wollte Moderator Christian Düren, der zusammen mit Collien Ulmen-Fernandes durch die Sendung führen wird, jeglichen Vergleich mit anderen Formaten vermeiden. Es sei nicht wie in anderen Formaten, wo die Kandidaten in ein Haus gesteckt und gesagt würde, "nun macht mal", beschrieb Düren die Situation. "Das Konzept der Alm ist ja relativ klar: Es gibt klare Regeln, die Promis müssen die Alm bewirtschaften und müssen natürlich auch untereinander klarkommen", erklärte er weiter.
Die Sorge, dass die Sendung ähnlich skandalös ausfallen wird wie "Promis unter Palmen", haben die Verantwortlichen beim Sender übrigens nicht. Der ProSieben-Sprecher setzt dabei passend zur EM-Phase auf eine Parallele zum Fußball:
Und er gibt weiter zu bedenken: "Es ist natürlich immer auch die Frage: Wen schickt man auf die Alm? Wer sind unsere Teilnehmer?"
Medien- und PR-Experte Ferris Bühler sieht das ähnlich. Zwar sei das Setup bei "Die Alm" ähnlich wie beim "Sommerhaus" oder bei "Promis unter Palmen" – immerhin ziehen mehrere Promis gemeinsam in eine Unterkunft und gehen "sich dort im Idealfall zur Unterhaltung der Zuschauenden auf die Nerven" –, doch vergleichbar seien die Formate nicht. Auch in Bühlers Augen liegt das in erster Linie am Cast: "Während Sat.1 und RTL bewusst Protagonisten zusammenbringen, welche bereits in der Vergangenheit positive oder negative Berührungspunkte miteinander hatten, setzt ProSieben auf eine relativ harmonische und unaufgeregte Truppe mit wenig Überraschungspotenzial", so der Medienexperte gegenüber watson.
Auch Christian Düren erklärte dazu auf der Pressekonferenz bereits: "Wir wollten natürlich auch Leute haben, die der Zuschauer jetzt vielleicht nicht von solchen Formaten kennt." Und er glaubt sogar, dass das ein Punkt sei, der "Die Alm" so erfolgreich machen würde: "Dass wir geguckt haben, dass wir nicht die Stereotype haben, die du von anderen Formaten kennst."
Nur zu gerne wurde deshalb auch betont, dass die teilnehmenden Promis eher wenig Trash-Faktor besäßen und teilweise ja auch erstmals in einem Reality-Format in Erscheinung treten. Auf unter anderem Magdalena Brzeska, Christian Lohse und Mirja du Mont mag das tatsächlich zutreffen, auf andere hingegen nicht.
Denn immerhin gehören auch "Bachelorette"-Macho Ioannis Amanatidis, "Temptation Island"-Kandidatin Siria Campanozzi und Ex-"Are You The One?"- und "Ex On The Beach"-Flirter Aaron Hundhausen zum Cast. Letzterer hatte sogar bereits Sex vor der Kamera.
Damit nicht genug: Mit "DSDS"-Heulsuse Katharina Eisenblut hat man sich wohl ebenfalls keine Kandidatin ins Haus geholt, die für ihr ruhiges, ausgeglichenes Gemüt und ihre Anpassungsfähigkeit bekannt ist. Und bei der Verpflichtung von Porno-Ikone Vivian Schmitt dürfte wohl der Faktor "Sex sells" eine Rolle gespielt haben.
Ja, möglicherweise hat man sich von den allseits bekannten und omnipräsenten Reality-TV-Gesichtern à la Elena Miras, Micaela Schäfer oder Matthias Mangiapane distanziert, doch in den gleichen Gewässern wurde dennoch gefischt. Immerhin sind wie in fast jeder anderen Trash-TV-Show Ex-Kandidaten von diversen RTL- und TVNow-Kuppelshows dabei, genau wie eine "Queen of Drags"- und "DSDS"-Teilnehmerin.
Die Vermutung liegt also trotzdem nah, dass man sich schon ein wenig Drama und Konflikte gewünscht hätte. Doch davon wollen vor allem die Promis nichts wissen. In den Gesprächen bei der Pressekonferenz bekam man sofort den Eindruck, auf der Alm liefe alles harmonisch. Vielleicht zu harmonisch, um die Trash-TV-Fans vor die Bildschirme zu locken? Eine Befürchtung, die auch Ferris Bühler teilt:
Den Eindruck verstärken auch die Aussagen der Kandidaten. So betonte Yoncé Banks bereits, dass sie die Show nicht einmal als Trash bezeichnen würde, denn in einem Trash-Format kämen in ihren Augen, "asoziale Leute zusammen", die "sich gegenseitig fertigmachen". Das sei bei "Die Alm" nicht der Fall. Klar sei es auch zu Diskussionen gekommen, aber "bei uns war es nicht ausgeartet". Es sei alles sehr sachlich gewesen und man sei danach wieder klargekommen, einfach, weil "man miteinander klarkommen musste", so die "Queen of Drags"-Gewinnerin. Auch Mirja du Mont stellte dazu klar:
Die Promis selbst hatten nach eigenen Aussagen zumindest ihren Spaß bei der 24-Stunden-Überwachung und konnten mitunter sogar neue Freundschaften knüpfen. Ob das nun allerdings für die Zuschauer interessant ist, wird sich zeigen. Medienexperte Bühler rechnet dem Format zumindest wenig Erfolgschancen aus. Das liegt vor allem an der jahrelangen TV-Abstinenz der Sendung und der Unregelmäßigkeit, in der sie überhaupt gezeigt wurde. "Dadurch besitzt es kein Fan- oder Stammpublikum und wird dadurch auch nur selten zum öffentlichen Gespräch", so Bühler.
Ein wenig Drama gab es immerhin schon der ersten Folge, denn Katharina Eisenblut hatte nach einem Gespräch mit Ioannis Amanatidis im Kuhstall schon keine Lust mehr. Allerdings ist sie für ihre Wankelmütigkeit bekannt, auch bei "DSDS" kündigte sie mehrmals ihren freiwilligen Abgang an und entschied sich dann doch um. Wenn es bei ihr also heißt "Ich will nach Hause!", muss damit noch nicht das letzte Wort gesprochen sein.