Es war eine unruhige Woche. Dabei schien zuerst alles in geordneten Bahnen. CSU-Chef Markus Söder bot seine Kanzlerkandidatur an, sagte aber auch, er würde verzichten, wenn er nicht die breite CDU hinter sich versammeln könne. Es kam anders. Dazu gesellen sich natürlich Dauerthema Corona und das neue Buch von Sahra Wagenknecht, das Wellen schlägt. Markus Lanz begrüßt folgende Gäste:
Ob die Sitzung der Bundestagsfraktion mit Söder und Laschet ein "Massaker" gewesen sein, will Markus Lanz von CSU-Urgestein Peter Ramsauer wissen. Der nimmt Lanz‘ Wort gerne auf. "Massaker – so könnte man es übertrieben nennen", gibt er zu. Das sei wie bei den Gladiatoren in der Arena gelaufen. "Diesen Stil kenne ich nur von ganz früher – am Ende bleiben immer Verletzungen." Und es sei ein "unnötiges Schauspiel" gewesen. Die Abgeordneten würden ja sowohl Laschet als auch Söder seit Jahren kennen. Es seien ja alles "Profis – und man muss heutzutage ja auch sagen Profinnen", reißt er noch einen allenfalls mittelmäßigen Gender-Kalauer. Die CDU treffe übrigens eine Mitschuld – wegen ihrer Uneinheitlichkeit.
Söder hätte die Situation nur genutzt, findet Ramsauer. Das sieht Spiegel-Journalist Markus Feldenkirchen angesichts der guten Umfragewerte ähnlich. "Ich kann das verstehen, dass sich Markus Söder fragt: 'Wenn ich so beliebt bin, warum sollte das der sehr viel unbeliebtere Armin machen?'"
Warum Bundeskanzlerin Angela Merkel sich so komplett zurückhält? Ramsauer kann darauf nach eigenem Bekunden nur "augenzwinkernd" antworten: "Vielleicht wartet sie drauf noch einmal gerufen zu werden für eine Übergangszeit."
Auch die stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Katja Leikert, befragt Lanz zur Sitzung. Allerdings läuft das nicht so fröhlich jovial-fröhlich ab wie beim Ramsauer Peter. Ob CDU-Generalsekretär Ralph Brinkhaus seinen Parteivorsitzenden Armin Laschet mit Absicht mittels der Sitzung in Schwierigkeiten gebracht habe? Wie das alles sein könne und überhaupt! Katja Leikert laviert drumherum. Natürlich. Wie man das so macht in Talkshows, wenn man nichts sagen will. Ganz normal. Doch Lanz wittert hier seine Chance, mal wieder jemanden zu grilllen, der bisher keinen ehernen Talkshowpanzer erworben hat. "Können wir mal die Stehsätze mal wegpacken?", "Seien sie mir nicht böse, Sie sorgen dafür, dass es total zerfleddert.", "Frau Leikert, warum antworten sie nicht?" Voller Einsatz Lanz, leider ohne Ergebnis, wenn man von einigen nervösen Mundzuckungen Leikerts absieht. "Das ist eine Situation, die können wir aushalten", sagt Leikert zur Kanzlerkandidaten-Warterei und wohl auch zu sich selbst. Sie hofft auf eine Entscheidung im Laufe der Woche.
Das sieht Sahra Wagenknecht ganz anders und legt gleich los mit ihrer Schelte. "Ich finde, dass sie sich beide als Kanzlerkandidaten disqualifiziert haben." Sie seien "ohne Plan". Und das "zeigt nur, dass die CDU fertig hat, das ist leer, das ist kaputt, das ist ausgelaugt". Dass es in Parteien Machtkämpfe gebe, sei normal. Aber in der Union sei "schon eine Schwelle überschritten", bei der Regierungsgeschäfte und Politik auf Länderebene leiden würden. Zum Beispiel das Infektionsschutzgesetz. "Das läuft nebenher und wird irgendwie beschlossen, hat aber Auswirkungen auf Millionen von Menschen."
Um kräftige Meinungen war Sahra Wagenknecht noch nie verlegen. Das hat ihr auch in der eigenen Partei Feinde eingebracht. Mit ihrem Buch "Die Selbstgerechten" werden es wohl noch einige mehr werden. Darin rechnet sie auch ab, mit einem "Milieu, das als links gilt, aber mit links nichts zu tun hat", weil es auf andere herunterguckt und sich als "Inbegriff des Fortschritts sieht", weil es "absurde Sprachvorgaben macht".
Sie habe mittlerweile den Eindruck: "Das belehrt von oben herab und das nervt mich und das ist auch nicht links. Für mich ist linke Politik sich einzusetzen, für die, die es schwer haben."
Das sind Positionen, die auch den Beifall der AfD gefunden haben. Sie haben Plakate mit Wagenknechts Aussagen aufgehängt. Aber davon distanziert sie sich . "Das ist perfide, eine Unverschämtheit sondergleichen, ich gehe dagegen auch juristisch vor."
Während es um die Polit-Eitelkeiten und das Gendern geht, sitzt der Hamburger Intensivmediziner Stefan Kluge mit versteinertem Gesicht da. Was er denkt, will Lanz von ihm wissen. "Wir brauchen jetzt klare Ansagen und bundeseinheitliche Regelungen. Dringend." Es gebe derzeit 4000 Intensivpatienten in Deutschland, von denen 1600 sterben werden. Es seien immer "30-35 Prozent Todgeweihte" auf der Intensivstation, sagt er. Der Altersschnitt seiner Patienten liege mittlerweile bei 56 Jahren, der Rahmen reiche von 28 bis 85. Das Hauptinfektionsgeschehen liege inzwischen bei den 30 bis 50-Jährigen. "Fast alle werden Langzeitfolgen haben", prognostiziert der Arzt. Ein weiteres Problem: "Das Personal brennt uns aus." Wegen der schlechten Bedingungen hätten während der Pandemie bereits 9000 Pflegekräfte den Beruf verlassen. Und wenn er die Argumentation hört, dass man nicht nur auf die Inzidenzen starren dürfte, um die Lage zu bewerten, gibt er sogar recht.
Er ist für eine nächtliche Ausgangssperre, weil sie die Mobilität generell drosselt. "Die Leute halten sich nicht an die Maßnahmen – muss vielleicht auch härter kontrolliert werden", auch wenn es unpopulär sei. „Wenn es so weiter geht, wird der komplette Lockdown nicht mehr vermeidbar sein.“ Und dann fügt er noch etwas leiser an. "Ich befürchte, dass es fast schon zu spät ist."