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Dunja Hayali fordert von Corona-Demonstranten Abgrenzung zu Rechtsextremen

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Journalistin Dunja Hayali bei einer Lesung im November 2019.Bild: imago images/Martin Hoffmann / Martin Hoffmann
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Hayali mit Appell an Corona-Demonstranten: "Hören Sie auf, sich rauszureden!"

31.08.2020, 13:45
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Die ZDF-Journalistin Dunja Hayali hat nach den Corona-Demonstrationen am Wochenende in Berlin einen längeren Facebook-Post dazu veröffentlicht – der seither von tausenden Menschen verbreitet wird. An alle "Anständigen" gerichtet, die gegen die Corona-Maßnahmen auf die Straße gegangen sind, richtet sie einen eindringlichen Appell: Es sei wichtig, die eigene Meinung zu äußern – aber man dürfe dadurch nicht Feinde der Demokratie bestärken, indem man an ihrer Seite marschiert.

Wer sich jetzt noch schockiert gebe darüber, dass Rechtsextreme bei der Demonstration so selbstbewusst aufgetreten seien, habe nichts verstanden.

Hayali wörtlich:

"Wer jetzt noch schockiert tut, hat nix verstanden" auch wenn die schalen Träume der Demokratiegegner nicht im Entferntesten erreicht wurden und an manchen Stellen sogar eine Art unfreiwilliger Komik erreichten, auch wenn es nur ein paar Hansels schafften, immerhin die Treppe des Reichstagsgebäudes zu erreichen, es wurde beweisbar deutlich, dass sie die freiheitlich-demokratische Grundordnung ablehnen. Wer sich jetzt schockiert zeigt, wer immer noch sagt: wehret den Anfängen, hat die Zeichen dieser Menschen nicht verstanden."

Hayali war mit einem ZDF-Team bei der Corona-Demonstration vor vier Wochen, am 1. August, von Demonstranten bedrängt worden und hatte deshalb einen Dreh abgebrochen.

Ihren Facebook-Post illustrierte sie mit dem Foto von Schildern, die auf der Demo gezeigt wurden. Darauf wurde Hayali – neben Politikern von Angela Merkel bis Karl Lauterbach und dem Virologen Christian Drosten – in Sträflingskleidung abgebildet, mit einem Schild mit ihrem Namen in der Hand und einem Logo, auf dem "schuldig" steht.

Demonstranten verschiedener Gruppierungen wie etwa der Initiative Querdenken 711 protestierten mit einer Gro�demonstration in Berlin gegen die bestehenden Ma�nahmen zur Eind�mmung der Corona-Pandemie. ...
Hassobjekte: Dunja Hayali auf Schildern neben anderen Journalisten, Wissenschaftlern und Politikern. Bild: imago-images / Christoph Hardt

Meinungsfreiheit, argumentierte Hayali weiter, bedeute nicht, dass niemand einem widersprechen dürfe.

"Ja, ich weiß, es waren nicht alle so, nicht alle waren dies oder jenes. Wie schon am 1.08. waren verschiedene Gruppierung mit völlig unterschiedlichen Ansprüchen und Protestgründen auf den Straßen. Bei manchen war nicht mal klar, wogegen oder wofür sie eigentlich demonstrieren. Was auch noch nicht einmal wichtig wäre, denn dafür gibt es ja die Meinungsfreiheit. Zu der gehört übrigens auch, das Maske-Tragen als Faschismus zu bezeichnen. Kann man machen, muss man sich aber nicht wundern, wenn an Weihnachten ein Geschichtsbuch unterm Baum liegt."

Das Problem bei der Demonstration am vergangenen Samstag sei gewesen, dass es den "Anständigen" auf der Demo egal zu sein schien, an wessen Seite sie marschierten.

"Was wirklich verstört, ist, dass es den Anständigen bei der Demo erneut völlig egal zu sein schien, mit wem sie da mitlaufen. Sie haben sich somit zum ideologischen Parasiten des anderen gemacht (und umgekehrt). Hauptsache Masse, völlig unkritisch dem gegenüber, was andere, wie die NPD, III. Weg, Identitäre Bewegung und mehr, mit Ankündigung zu der Veranstaltung trieb. Bemerken Sie nicht, dass sie sich damit zu Trägern und sichtbaren Mitstreitern für Ideologien machen, die sie bei näherer Betrachtung gar nicht vertreten würden. Oder ist es Ihnen einfach egal? Aber: Frust (über Corona-Maßnahmen) heiligt nicht die Mittel – hören Sie also bitte auf, sich raus zu reden oder es sich selbst schön zu reden."

Derart naives Verhalten gegenüber Extremisten nutze den Feinden der Demokratie. Hayali dazu:

"Die Extremen an den Rändern wissen all das zu nutzen. Sie nutzen die Trägheit und Kritiklosigkeit derer aus, die an ihrer Seite auftreten und suggerieren damit, dass ihre in Teilen staatszersetzende Idee viel mehr Unterstützer hat, als dies tatsächlich der Fall ist. Und die Mitläufer legitimieren diese größenwahnsinnige Haltung. Sie sollten dringend in sich gehen, ob sie sich durch fehlende Abgrenzung vor ideologische Karren anderer spannen lassen wollen, für deren Vorwärtskommen sie sich mit werden verantworten müssen."

Hayali wünscht sich seitens der Behörden, Vorkommnisse wie am vergangenen Samstag zu verhindern. Das, schreibt sie, sei auch im Sinne jener Demonstranten, denen es wirklich um sachliche Kritik an den Corona-Maßnahmen geht. Für Hayali ist klar: "Kritik an Maßnahmen, Umsetzung, Umgang braucht einen demokratischen Raum."

Hayali endet mit einem Appell an alle, denen die Demokratie am Herzen liegt. Die müsse jetzt verteidigt werden.

"Es liegt an jedem von uns – im Kleinen wie im Großen. Die Zeit zu schweigen, wegzugucken, ob im Arbeits-, Freundes-, Familienkreis oder sonst wo, ist vorbei. Wem das jetzt noch nicht klar geworden ist, der muss sich hinterher nicht wundern, wenn er in einem anderen Land aufwacht. Da reicht es auch nicht immer und immer wieder darauf zu verweisen, dass die Mehrheit anders denkt. Wie schnell eine Minderheit der Mehrheit die Rechte nehmen kann, sehen wir doch nicht nur in Serien wie Handmaids’s Tale, sondern auch in der Realität. Vielleicht war diese Demo der letzte Knall, damit alle dies endlich erkennen."

Der ganze Facebook-Post von Dunja Hayali im Original:

(se)

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