Es könnte die größte Mordserie in der deutschen Nachkriegsgeschichte sein: Jahrelang soll der Krankenpfleger Niels Högel Patienten an den Kliniken Oldenburg und Delmenhorst getötet haben.
Auf die Frage des Vorsitzenden Richters, ob die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zuträfen, antwortete Högel am Dienstag mit "ja". Der 41-Jährige fügte an: "Das was zugegeben worden ist, so ist es auch."
Zuvor war Högel vom Gericht ausführlich zu den Anfängen seines beruflichen Werdegangs und seinen privaten Verhältnissen befragt worden. Um konkrete Tatvorwürfe ging es dabei zunächst nicht, die Richter wollen die Geschehnisse aus der sehr umfangreichen Anklageschrift chronologisch abarbeiten. Högel berichtete, er habe bereits kurz nach dem Berufsstart unter Leistungsdruck gestanden und angefangen, Schmerzmittel zu nehmen. "Es war der Stress." Er hätte bereits damals erkennen müssen, dass die Arbeit nichts für ihn gewesen sei.
Eine Krankenschwester hatte Högel im Sommer 2005 auf frischer Tat am Klinikum Delmenhorst bei Bremen ertappt. Doch bis das gesamte Ausmaß der Mordserie ans Licht kam, vergingen Jahre. Mehr als 130 Leichen ließen die Ermittler auf Friedhöfen ausgraben und diese auf Rückstände von Medikamenten untersuchen. Mehrmals befragten sie den Ex-Pfleger im Gefängnis. Dieser habe die Taten gestanden, soweit er sich an sie erinnern könne, sagte Oberstaatsanwalt Martin Koziolek.
Rund 120 Nebenkläger wollen in dem Prozess erfahren, wie und warum ihre Verwandten sterben mussten. "Sie wollen dem Angeklagten in die Augen schauen", sagte Nebenklage-Anwältin Gaby Lübben. Das Landgericht Oldenburg erwartet zahlreiche Zuschauer und Journalisten zum Prozessauftakt. Wegen des großen Andrangs hat die Kammer die Verhandlung in die Weser-Ems-Hallen verlegt.
Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, forderte die Bundesregierung auf, aus dem Fall klare Konsequenzen zu ziehen. "Trotz der größten Mordserie der Nachkriegsgeschichte bleiben Bund und Länder weitestgehend tatenlos. Es fehlen bundesweite Anstrengungen, um solche Einzeltäter rechtzeitig zu stoppen. Das ist unerträglich", sagte Brysch dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Die Richter haben in dem Mammutprozess 23 Verhandlungstage bis Ende Mai angesetzt – an mehreren Tagen soll der Angeklagte die Möglichkeit bekommen, sich selbst zu äußern.
Eine lebenslange Haftstrafe bedeutet in Deutschland nicht zwangsläufig, dass jemand bis zu seinem Tod im Gefängnis sitzt. Nach einer bestimmten Zeit prüft eine Strafvollstreckungskammer, ob die Strafe ausgesetzt werden kann. "Jede nachgewiesene Tat verlängert seine Haft", sagt Nebenklage-Anwältin Gaby Lübben. Bei mehr als 100 Morden könnte das möglicherweise bedeuten: auf eine sehr lange Zeit oder sogar für immer.
pbl/(pb/dpa)