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Klöckner will Verbot des massenhaften Kükentötens auf den Weg bringen

Vor- Ort Pressetermin am Mittwoch (09.03.2016) beim Erzeugerzusammenschluss F
45 Millionen Küken werden nach wie vor jährlich getötet.Bild: imago stock&people / BildFunkMV
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Klöckner will Verbot des massenhaften Kükentötens auf den Weg bringen

09.09.2020, 09:0109.09.2020, 17:58
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Mit dem massenhaften Töten männlicher Küken in der Legehennenzucht in Deutschland soll Ende kommenden Jahres Schluss sein. Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) will die Praxis ab dann verbieten und stellte dazu einen Gesetzentwurf dazu vor. Klöckner sprach von einem "Meilenstein für den Tierschutz", der auch eine Signalwirkung für andere Staaten haben solle. "Das Töten von Eintagsküken, weil sie ein bestimmtes Geschlecht haben, ist ethisch nicht vertretbar."

Das Ministerium verweist darauf, dass alternative Verfahren marktreif seien, um das Geschlecht im Ei zu bestimmen und männliche Küken gar nicht schlüpfen zu lassen. Noch werden 45 Millionen Küken jährlich getötet, die keine Eier legen und nicht so viel Fleisch ansetzen. Das Bundesverwaltungsgericht hatte 2019 entschieden, dass die umstrittene Praxis nur noch für eine Übergangszeit zulässig ist.

Bauernpräsident Joachim Rukwied sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Ich sehne den Tag herbei, an dem dieses Thema endlich Geschichte ist. Praxistaugliche Verfahren zur Geschlechtsbestimmung sollten schnellstmöglich flächendeckend zum Einsatz kommen." Wichtig sei, dass die gesetzliche Regelung nicht durch den Einkauf von Eiern im Ausland unterlaufen werde.

Geflügelhalter fordern EU-weite Regeln

Der Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft erklärte, die Branche wolle den Ausstieg aus dem Kükentöten lieber heute als morgen. "Das Gesetz darf aber nicht den Eindruck erwecken, eine kurzfristige Lösung bis Ende 2021 sei völlig unproblematisch möglich", sagte Präsident Friedrich-Otto Ripke der dpa. Im freien EU-Warenverkehr könnten zum Beispiel polnische oder niederländische Brütereien weiterhin männliche Küken am ersten Lebenstag töten und Eier hier anbieten. "Nur EU-Recht kann dieses Dilemma auflösen."

In der "Rheinischen Post" forderte Klöckner die Bürger auf, künftig auch auf Eier aus dem Ausland zu verzichten, wenn die Tiere dort weiterhin geschreddert werden. "Das Töten von Eintagsküken ist ethisch nicht vertretbar. Es darf nicht sein, dass Tiere nach dem Schlüpfen sofort getötet werden, weil sie ein bestimmtes Geschlecht haben", sagte Klöckner dem Blatt. Die in der Geflügelhaltung gegebene Praxis, dass Küken kurz nach dem Schlüpfen getötet werden, weil die Aufzucht wirtschaftlich unrentabel sei, werde beendet. Deutschland sei damit weltweiter Vorreiter. Die Ministerin verteidigte die Übergangszeit bis Ende 2021. Ein Verbot habe nur Sinn, wenn der Branche eine Alternative zur Verfügung stehe, begründete sie.

Um das Kükentöten zu vermeiden, sind zwei Verfahren entwickelt worden. Bei der einen Methode wird einige Tage lang bebrüteten Eiern durch ein winziges Loch etwas Flüssigkeit entnommen, um das Geschlecht zu bestimmen. Weibliche Küken werden ausgebrütet, männliche nicht. So erzeugte Eier werden bereits in Supermärkten angeboten. Beim zweiten Verfahren wird ein spezieller Lichtstrahl ins Ei-Innere geschickt, wie das Ministerium erläutert. Das Geschlecht wird dann durch eine Analyse des reflektierten Lichts bestimmt.

Urteil: Kükentötung nur zulässig, bis es Alternativen gibt

Laut Bundesverwaltungsgericht ist das Kükentöten nur noch so lange zulässig, bis gut funktionierende alternative Verfahren zur Verfügung stehen. Das Tierschutzgesetz besagt in Paragraf 1, dass niemand einem Tier "ohne vernünftigen Grund" Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen darf. Die Frage war, ob wirtschaftliche Interessen der Hennenzüchter ein "vernünftiger Grund" sein können. Dazu hatten die Bundesrichter festgestellt, dass die Belange des Tierschutzes schwerer wiegen.

Die SPD sieht trotz des angekündigten Gesetzentwurfs Versäumnisse. Klöckner habe sich viel zu lange nicht um eine Lösung gekümmert, sagte Susanne Mittag, die Tierschutzbeauftragte der SPD im Bundestag, der dpa. "Sowohl im Koalitionsvertrag als auch in einem ergänzenden Entschließungsantrag hatten wir schnellere Lösungen beschlossen." Vereinbart sei gewesen, schon bis zur Mitte der Wahlperiode das Verbot der Kükentötung durchzusetzen. "Dadurch, dass Frau Klöckner erst den Weg der Freiwilligkeit gehen wollte, hat sie viel Zeit verschenkt."

Tatsächlich heißt es im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD:

"Das Töten von Eintagsküken werden wir bis zur Mitte der Legislaturperiode beenden."

Auch den Grünen geht es zu langsam. Seit 2015 hätten die Landwirtschaftsminister der Union das Ende des "Kükenschredderns" angekündigt, sagte Fraktionsvize Oliver Krischer der dpa. "Ich erwarte, dass jetzt eine gesetzliche Verpflichtung umgesetzt wird, dass die Brütereien die neue Technik umgehend einsetzen müssen und nicht irgendwann in den nächsten Jahren." Die neue Technik führe zu Mehrkosten von zwei Cent pro Ei. "Das ist es wert."

Der agrarpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Gero Hocker, nannte es "traurig und ambitionslos zugleich", dass sich Frau Klöckner mit einem nationalen Verbot begnüge. "Sie lässt damit die großartige Chance der deutschen Ratspräsidentschaft ungenutzt verstreichen." Würde ihr es wirklich um das Wohl der Tiere gehen, hätte sie einheitliche europäische Rahmenbedingungen angestrebt. So aber bleibe die Bundesregierung bei billiger Schaufensterpolitik, und für die Küken bleibe alles beim Alten. Nur eines werde sich ändern: Die männlichen Küken würden künftig knapp hinter der deutschen Grenze getötet.

SPD und Grüne fordern zudem weitere Schritte. Es brauche eine Haltungskennzeichnung für Eier auch in verarbeiteten Produkten, sagte Krischer. "Dort werden immer noch in großem Umfang Eier von Hühnern aus Käfighaltung eingesetzt. Wenn das dort drauf steht, werden weniger Käfigeier nachgefragt." Susanne Mittag mahnte, Klöckner müsse "endlich ein staatliches Tierwohllabel vorlegen, das auch Geflügel sowie Eier erfasst". Das geplante Label soll in einem ersten Schritt für Schweinefleisch gelten, weitere sind aber geplant.

(se/dpa)

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