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Geständnis Berliner Kippa-Prozess – Opfer fühlt sich noch heute unsicher

Kippah Trial, Berlin DEU, Deutschland, Germany, Berlin, 19.06.2018 Mann mit Kippa wartet mit Journalisten und Prozessbesucher auf Einlass. Knaan S, 19, am ersten Tag vom Prozess vor einem Jugendschoef ...
Ein Prozessbesucher mit Kippa gibt Medienvertretern Interviews.Bild: imago stock&people/christian ditsch
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Geständnis Berliner Kippa-Prozess – Opfer fühlt sich noch heute unsicher 

19.06.2018, 10:3919.06.2018, 14:44
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Rund zwei Monate nach dem antisemitisch motivierten Angriff mit einem Gürtel auf zwei Männer mit Kippa im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg startete am Dienstag der Prozess gegen den mutmaßlichen Haupttäter.

  • Ursprünglich war nur ein Verhandlungstag angesetzt, nun wird er wird am kommenden Montag fortgesetzt. Das gab der zuständige Richter Günter Räcke am Dienstag bekannt.
  • Der Angriff sorgte bundesweit für Empörung und löste eine Debatte über Antisemitismus in Deutschland aus. 

Das sagte der mutmaßliche Täter am ersten Verhandlungstag:

  • Der 19-jährige Angeklagte hat die Tat gestanden. Bei dem Angriff im April wurde eins der Opfer leicht verletzt, nachdem der  junge Mann mehrfach mit einem Gürtel geschlagen worden war. 
  • Der mutmaßliche Täter gab nun vor Gericht zu, dass er im April öfter mit seinem Gürtel auf den Israeli eingeschlagen, ihn aber nur einige Male getroffen habe. 
  • Zuvor sei er allerdings von dem Israeli oder dessen Begleiter beleidigt und beschimpft worden. Der Attackierte habe gesagt: "Warum beschimpfst du mich, ich habe dir nichts getan." 
  • "Es tut mir sehr leid, es war ein Fehler von mir", sagte der Angeklagte vor Gericht. Der 19-Jährige fügte hinzu: "Ich wollte ihn nicht schlagen, ich wollte ihm nur Angst machen."
  • Außerdem sagte der Angeklagte, dass er zuvor Drogen genommen habe. "Ich habe was gekifft, mein Kopf war müde."
  • Mit Politik und Religion habe er nichts zu tun. "Ich hasse weder die Juden noch die Christen noch irgendwen anders", sagte der 19-Jährige. "Wenn ich die Juden wirklich hassen würde, wäre ich nicht nach Deutschland gekommen – dann wäre ich doch nach Palästina gegangen", fügte er hinzu.
  • Das Opfer widersprach der Aussage. Er und sein Begleiter seien zuerst von dem Angeklagten und dessen Begleitern beleidigt worden, sagte er in seiner Vernehmung. An den Anfang des Übergriffes könne er sich allerdings nicht so gut erinnern, weil er anfangs am Handy mit einem Freund Nachrichten ausgetauscht habe.

Das sagte das Opfer am ersten Verhandlungstag:

  • Er und sein Begleiter seien zuerst von dem Angeklagten und dessen Begleitern beleidigt worden, sagte er in seiner Vernehmung. An den Anfang des Übergriffes könne er sich allerdings nicht so gut erinnern, weil er anfangs am Handy mit einem Freund Nachrichten ausgetauscht habe.
  • Erst auf die Warnungen seines Freunds hin habe er gesehen, wie der Angeklagte auf ihn zugerannt sei und seinen Gürtel aus der Hose gezogen habe. Er habe noch versucht, sich zu wehren, und den Angriff dann mit seinem Handy gefilmt. Der Angreifer habe ihn dann mehrfach mit einem Gürtel auf Bein, Hüfte und ins Gesicht geschlagen.
  • Es sei schwierig, täglich an der Stelle vorbeizugehen, wo sich der Vorfall ereignete. Von der Haltestelle bis nach Hause renne er seit dem Vorfall immer.
  • "Ich fühle mich einfach unsicher", sagte er. "Berlin war für mich immer eine Traumstadt, in der man in Frieden leben kann – doch ich glaube nicht, dass ich die Kippa noch einmal aufsetzen werden, wenn ich allein unterwegs bin."

Das sagte die Verteidigung im Vorfeld des ersten Prozesstages:

Die Verteidigerin des Hauptangeklagten, Ria Halbritter, hatte  vor dem ersten Verhandlungstag dem RBB gesagt, dass der Fall nicht als antisemitisch einzustufen sei:

"Wenn die Presseberichterstattung nicht dieses Ausmaß hätte, wäre das ein ganz durchschnittlicher Fall. Mein Mandant ist kein Antisemit, das wird sich in der Hauptverhandlung zeigen. Der Fall ist nicht geeignet als Symbol des zunehmenden Antisemitismus hier im Land."
Verteidigerin Ria Halbritter

Sowohl die Gespräche mit ihrem Mandanten als auch die Aktenlage würden belegen, dass ihr Mandant nicht antisemitisch sei.

"Er ist nie aufgefallen und hat sich bisher in Deutschland ganz normal und anständig geführt."
Ria Halbritter 

Das Opfer:

  • Ist ein 21 Jahre alter arabischer Israeli. 
  • Nach eigenen Angaben ist er kein Jude, sondern hat die Kippa als Experiment getragen. Er wollte seinen Freunden zeigen, dass es sicher sei, sich in der deutschen Öffentlichkeit mit einer Kippa zu zeigen. 
  • Er und sein 24-jähriger Begleiter, der ebenfalls eine Kippa trug, waren im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg von drei Männern angegriffen worden.
  • Einer der Angreifer habe schließlich seinen Gürtel aus der Hose gezogen und mehrmals auf die beiden Opfer eingeschlagen.

Der mutmaßliche Haupttäter:

  • Der Syrer muss sich wegen gefährlicher Körperverletzung und Beleidigung vor dem Amtsgericht verantworten.
  • Insgesamt acht Zeugen sind zu der Verhandlung geladen.
  • Der Fall wird in Berlin ungewöhnlich schnell juristisch aufgearbeitet: Bereits einen Monat nach dem Angriff war Anklage wegen gefährlicher Körperverletzung und Beleidigung erhoben worden. 
  • Bei einer Verurteilung wird das Strafmaß auch davon abhängen, ob der Heranwachsende nach Jugendstrafrecht oder Erwachsenenstrafrecht verurteilt wird.

Die Kippa ist nun im Jüdischen Museum in Berlin ausgestellt:

Besondere Bekanntheit erlangte der Fall auch, weil eines der Opfer die Tat filmte und das Video in sozialen Netzwerken veröffentlichte, wo es sich schnell verbreitete.

Auch in den Medien wurde der kurze Clip in den darauffolgenden Tagen oft gezeigt, meist begleitet von der Frage, wie sicher jüdisches Leben in Deutschland sei. Der Zentralrat der Juden riet aus Sicherheitsgründen davon ab, in der Öffentlichkeit Kippa zu tragen.

Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD)

"Wir dürfen niemals zulassen, dass Antisemitismus in Deutschland wieder alltäglich wird."

An Versammlungen In Berlin und Köln beteiligten sich ranghohe Politiker, Organisationen und Religionsverbände. Auch seitens der Bundesregierung gab es zahlreiche Solidaritätsbekundungen für Juden in Deutschland. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach von einem "schrecklichen Vorfall".

"Berlin trägt Kippa" – so sah das aus:

Video: watson/Felix Huesmann, Leon Krenz, Lia Haubner

(hd/afp/dpa)

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