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Anne Will: Olaf Scholz wirft Kritikern von Andrea Nahles Frauenfeindlichkeit vor

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Bild: imago/montage: watson
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Bei Anne Will wirft Olaf Scholz den Kritikern von Andrea Nahles Frauenfeindlichkeit vor

03.06.2019, 09:18
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Eigentlich sollte es um Klimaschutz gehen. Doch dann machte Andrea Nahles den Programmplanern einen Strich durch die Rechnung. Statt Maßnahmen für die Zukunft des Planeten zu diskutieren, ging es in der Talkshow Anne Will am Sonntag erst mal um die Zukunft von SPD und GroKo.

Die Nachricht kam am Sonntagmorgen einigermaßen überraschend. Genau eine Woche nach der doppelten Klatsche aus Europa- und Bremenwahl kündigte Andrea Nahles ihren Rücktritt an – als Vorsitzende sowohl der SPD-Fraktion im Bundestag, als auch der Partei. Und mehr noch: Sogar ihr Bundestagsmandat will sie niederlegen. Es ist der völlige Rückzug aus der Politik. Das laute "Tschüss" einer Spitzenpolitikerin, der es die eigene Partei nicht leicht gemacht hat.

Nahles Abgang macht auch den Fortbestand der Großen Koalition bis zum planmäßigen Ende der Legislaturperiode unwahrscheinlicher – in der SPD war Nahles eine der größten Verfechterinnen der Koalition mit CDU und CSU.

Weil diese Partei-Führungskrise also zu einer Regierungskrise werden könnte, verdrängte sie die Klimakrise von der Themen-Agenda Anne Wills – zumindest zum Teil.

Als Talkgäste geladen waren:

  • Olaf Scholz (SPD) – Finanzminister, Vizekanzler und Parteifreund von Andrea Nahles.
  • Norbert Röttgen (CDU) – ehemaliger Bundesumweltminister und Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag.
  • Luisa Neubauer – Studentin und "Fridays for Future"-Aktivistin.
  • Claudia Kade – Ressortleiterin Politik bei der Tageszeitung "Welt".
  • Cerstin Gammelin – stellvertretende Chefin des Parlamentsbüros der "Süddeutschen Zeitung".

Wie geht es nun weiter?

Das war die beherrschende Frage. Eine wirkliche Antwort konnte allerdings auch die Talkrunde nicht geben. Was die Zukunft der SPD angeht, erklärte Olaf Scholz zumindest sehr klar, dass er nicht als Parteivorsitzender zur Verfügung stehe. Das sei als Finanzminister zeitlich nicht zu schaffen und er wolle kein bloßer "Politikdarsteller" sein, sondern seine Ämter auch richtig ausfüllen. Ansonsten ließ Scholz in der Runde alle Möglichkeiten für die Nahles-Nachfolge offen.

Der Vizekanzler sagte:

"Alles wird jetzt diskutiert."

Das Ende der Groko ist jedoch auch für CDU-Politiker Norbert Röttgen nicht in Sicht. Er sagte aber: "Es kann kein 'Weiter so' geben." Die Koalition habe eine Verpflichtung für das Land, etwas zu erreichen.

Rücktritt als Chance? Das sagte Norbert Röttgen:

"Es ist eine Art Katharsis, eine Reinigung, wo klar ist, da muss sich etwas ändern."

Frauenfeindlicher Umgang mit Nahles?

Die Talkrunde blickte nicht nur in die Zukunft, sondern warf auch einen Blick darauf zurück, wie die SPD in der Vergangenheit mit ihren Parteivorsitzenden umgegangen ist – insbesondere mit Andrea Nahles. Seit 1990 war sie bereits die 15. Person an der Spitze der Partei. Sie war jedoch die erste Frau. Ging die Partei mit ihr besonders schäbig um?

Olaf Scholz erklärte, sowohl die Kritik an Andrea Nahles, als auch die Kritik an der CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer habe eine frauenfeindlichen Anteil.

"Es werden Sachen kritisiert, die bei keinem Mann kritisiert werden."
Olaf Scholz

Die "Welt"-Journalistin Claudia Kade sagte, die SPD müsse sich die Frage nach dem Umgang mit ihrem Spitzenpersonal stellen. Sie sei die brutalste Partei im Umgang mit dem eigenen Führungspersonal. Das könne sich auch auf Wahlergebnisse niederschlagen.

Wähler würden sich fragen:

"Will man eigentlich noch seine Stimme für einen Laden abgeben, der so mies miteinander umgeht?"
Claudia Kade

"Im Ton war es schon sehr hart", sagte auch Norbert Röttgen. Er kenne Andrea Nahles schon seit er Mitglied der Jungen Union und sie bei den Jusos war. Die Politik sei Nahles' Leben gewesen. "Das Bundestagsmandat niederzulegen ist eine Lebensentscheidung. Das hat mich am meisten getroffen."

Am Ende ging es doch noch um das Klima

Und zwar nicht nur um das Klima in der GroKo, sondern um den Klimaschutz – das ursprüngliche Thema der Sendung. Einig waren sich alle Beteiligten darin, dass bisher nicht genug für die CO2-Reduzierung getan wurde. Uneinigkeit herrschte jedoch darin, wer die Verantwortung dafür trägt, und wie der Klimaschutz in Zukunft verbessert werden kann.

Für Röttgen ist klar: Die CDU habe in Klimaschutzfragen große Defizite. "Das Thema haben wir in den vergangenen Jahren komplett vernachlässigt", sagte er. Die CDU sei in Klimafragen jedoch auch schon weiter gewesen. Über welche Zeit Röttgen dabei sprechen könnte? Ein kleiner Hinweis: Von 2009 bis 2012 war er selbst Umweltminister der schwarz-gelben Bundesregierung.

Während Röttgen über die Defizite in den Jahren nach seiner Amtszeit sprach, redete Scholz lieber über das, was die aktuelle Koalition noch vorhabe. Alle benötigten Entscheidungen zum Klimaschutz solle es noch in diesem Jahr geben. Im September solle ein Klimaschutzgesetz verabschiedet werden. "Ich verspreche es fest", erklärte Scholz.

Kritische Worte und Nachfragen erhielten die beiden Politiker dabei vor allem von Luisa Neubauer. Ob auch eine CO2-Steuer Teil des Klimaschutzgesetzes sein solle, fragte sie Scholz. Als der erwiderte, es sei ganz richtig, "dazu ein vernünftiges Konzept zu entwickeln", lachte die "Fridays for Future"-Aktivistin auf. Zu Norbert Röttgen, der den Klimaschutz stärker auf der Agenda seiner Partei sehen will, sagte Neubauer:

"Ich finde es sympathisch, dass sie jetzt daran glauben, dass ihre Partei daran was ändern wird. Realistisch gibt es eigentlich nichts, was darauf hinweisen würde. Die Union lehnt jetzt eine CO2-Steuer ab, wo Experten in einer überwiegenden Mehrheit sagen, das ist absolut essentiell. [...] Wir wissen, dass ihre Minister seit Monaten blockieren, im Klimakabinett zum Beispiel."

Die Talkrunde zeigte einmal mehr: Erkannt, wie dringlich das Thema Klimaschutz auch für eine Mehrheit der Wähler ist, haben die GroKo-Parteien spätestens jetzt, nach der Europawahl. Eine wirkliche Einigung, etwa über die Frage einer CO2-Steuer ist trotzdem auch weiterhin nicht in Sicht. Für die Koalition könnte das zur Frage werden, an der sie zerbricht – ohne Andrea Nahles umso mehr.

(fh)

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