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"Der Satz des Tages kam von Jennifer Lopez": Omid Nouripour zu Biden-Amtseinführung

Berlin, Omid Nouripour im Interview Deutschland, Berlin - 03.03.2020: Im Bild ist Omid Nouripour B
Omid Nouripour ist außenpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag.Bild: www.imago-images.de / Christian Spicker
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Grünen-Politiker Omid Nouripour zu Joe Biden: "Amerika wieder zu einen, ist kein Sprint, es ist ein Marathon"

22.01.2021, 10:09
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Am Mittwoch war es so weit: Nach vier Jahren Amtszeit hat Donald Trump das Oval Office verlassen. Noch vor der offiziellen Zeremonie zur Übergabe der Präsidentschaft der USA verabschiedete er sich aus dem Weißen Haus. An der feierlichen Vereidigung seines Nachfolgers Joe Biden wollte er nicht teilnehmen und brach damit als erster Präsident seit über 150 Jahren mit einer Tradition.

Joe Biden fand dagegen in seiner Antrittsrede versöhnliche Worte für die Anhänger des aus dem Amt geschiedenen Präsidenten. Einheit war das Wort, das in seiner Rede am prominentesten vertreten war. Zwar verurteilte er die Lügen von Präsident Trump, ohne dessen Namen zu nennen. Aber Biden rief dessen Unterstützer auf, ihm eine Chance als US-Präsident zu geben.

Es stellen sich wichtige Fragen: Kann Joe Biden das Land wieder einen? Inwieweit kann ein 78 Jahre alter Politiker für einen Neuanfang stehen?

Watson hat darüber mit Omid Nouripour gesprochen. Nouripour ist außenpolitischer Sprecher der Grünen. Er hat Bidens Rede aufmerksam verfolgt. Warum er der Meinung ist, dass kein Politiker, sondern Jennifer Lopez den wichtigsten Satz des Tages gesagt hat, erklärt er im Interview mit watson.

"Diese Gräben zu überwinden, ist eine Aufgabe, die Jahrzehnte beanspruchen wird."

watson: Herr Nouripour, der neue US-Präsident Joe Biden hat am Mittwoch zur Amtseinführung eine viel beachtete Rede gehalten. Wie fanden Sie das, was er gesagt hat?

Omid Nouripour:
Es war eine wirklich sehr gute Rede. Joe Biden ist nicht bekannt dafür, dass man bei ihm vor Begeisterung vom Stuhl fällt, das war diesmal anders. Er hat darum gerungen, glaubhaft zu machen, dass er die Gräben in diesem Land überwinden will. Der Kernsatz war, dass unterschiedliche Auffassungen nicht Uneinigkeit bedeuten müssen. Auch wandte er sich an jene, die ihn nicht gewählt haben, rief sie dazu auf, ihm eine Chance zu geben.

Könnte er so vielleicht sogar Trump-Wähler überzeugen?

Ich verrate Ihnen etwas: Ich habe am Mittwoch im rechten sozialen Netzwerk Parlor die Reaktionen verfolgt. Es gab innerhalb von wenigen Sekunden ein vorbereitetes Sharepic, das rumging. Auf dem stand, dass Joe Biden mit Einheit Konformität meine. Darin wurde dazu aufgerufen, ihm kein Wort zu glauben. Diese Gräben zu überwinden, ist eine Aufgabe, die Jahrzehnte beanspruchen wird. Die Trump-Supporter sind schwer zu erreichen. Diese Art von Bewegungen sind wie Zwiebeln.

Das müssen Sie erläutern…

Es gibt einen harten Kern, an den kommt man nur schwer heran. Das wird auch Joe Biden nicht schaffen. Aber die Schale muss man Stück für Stück schälen und so versuchen, sie zu überzeugen. Dafür werden Reden aber nicht reichen. Biden wird liefern müssen. Er wird Erfolge im Kampf gegen die Pandemie vorweisen müssen und den wirtschaftlichen Wiederaufbau danach organisieren.

"Diese Chance muss Joe Biden jetzt nutzen."

Wie schwer wird das für den neuen Präsidenten?

Er hat nur ein kurzes Zeitfenster für überparteiliche Konsensfindung. Es gibt eine Zahl an Republikanern im Kongress, die sehr erschüttert von der Stürmung des Kapitols sind und signalisierten, auch mit Biden zusammenarbeiten zu wollen. Diese Chance muss er jetzt nutzen.

Joe Biden ist der älteste Präsident, der jemals eingeschworen wurde. Bringt er noch genug Energie mit, um seine Ziele durchzusetzen?

Es geht hier nicht um die dynamische Energie des Präsidenten. Die US-Amerikaner hungern nach Normalität nach den vergangenen vier Jahren. Jetzt geht es um politisches Handwerkszeug.

Bringt Biden das mit?

Definitiv, aber es geht ja nicht nur um ihn, sondern auch um das Team hinter ihm. Bisher ist bekannt, dass sich viele erfahrene Leute darunter befinden. Gerade in der Außenpolitik sind mir einige von früher bekannt, mit denen ich auch schon persönlich gearbeitet habe. Das sind Top-Experten und das ist wichtiger als die Frage, ob der Präsident vor Energie sprudelt. Amerika wieder zu einen, ist kein Sprint, es ist ein Marathon.

"Der wichtigste Satz des Tages kam von keinem Politiker, sondern von Jennifer Lopez."

Welche Rolle spielt dabei Vize-Präsidentin Kamala Harris?

Sie hat in allen Reden eine große Rolle gespielt. Aber der wichtigste Satz des Tages kam von keinem Politiker, sondern von Jennifer Lopez. Sie sagte auf Spanisch am Ende ihres Auftritts, "eine Nation unter Gott, mit Freiheit und Gerechtigkeit für alle." Dass sie das auf Spanisch gesagt hat, ist ein extrem selbstbewusstes Reklamieren eines neuen Amerikas, das eben nicht nur weiß ist. Und dafür ist Kamala Harris eine Symbolfigur.

20.01.2021, USA, Washington: S�ngerin Jennifer Lopez tritt w�hrend der 59. Amtseinf�hrung vor dem US-Kapitol f�r den designierten US-Pr�sidenten Biden auf. Foto: Patrick Semansky/AP Pool/dpa +++ dpa-B ...
Jennifer Lopez während ihres Auftritts bei der Vereidigung.Bild: dpa / Patrick Semansky

Wie wirkt sich das auf die junge Generation von Migranten und insbesondere Migrantinnen aus?

Harris ist die erste Vize-Präsidentin mit südostasiatischen Wurzeln, die erste afroamerikanische Vize-Präsidentin und die erste weibliche Vize-Präsidentin der USA in der Geschichte. Das ist in dreierlei Hinsicht historisch. Und das war von Joe Biden so auch beabsichtigt. Zunächst war die Senatorin Elisabeth Warren als Vize-Präsidentin im Gespräch. Aber auch Biden war klar, dass er als ältester Präsident aller Zeiten jemanden jungen an seiner Seite brauchen würde. Harris ist ein Vorbild gerade für junge Frauen.

Kann der älteste US-Präsident der Geschichte überhaupt eine junge Politik machen?

Ich glaube nicht, dass man jung sein muss, um zukunftsfähige Politik zu betreiben. Das ist eher eine Frage der Einstellung. Das, was die Regierung von Joe Biden bisher ausstrahlt, ist, dass sie für alle Amerikaner da sein will, unabhängig von Geschlecht, Alter, Religion oder Herkunft.

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