US-Präsident Joe Biden hielt am Donnerstagabend seine erste große Fernsehansprache an die Nation.Bild: ap / Andrew Harnik
USA
12.03.2021, 07:3812.03.2021, 17:42
US-Präsident Joe Biden will die Staffelung
nach Impfgruppen in der Corona-Pandemie aufheben und Impfstoffe bis
spätestens 1. Mai für alle Erwachsenen in den USA freigeben lassen.
Bei seiner ersten großen Fernsehansprache an die Nation kündigte
Biden am Donnerstagabend eine entsprechende Anordnung an
die Bundesstaaten an. Der Präsident rief die Amerikaner zugleich
eindringlich dazu auf, sich impfen zu lassen. Jeder müsse seinen Teil
dazu beitragen, das Virus zu stoppen, betonte er ein Jahr nach Beginn
der Pandemie. "Dieser Kampf ist noch lange nicht vorbei."
Biden stellte seinen Landsleuten in Aussicht, am Nationalfeiertag
am 4. Juli wieder in kleinen Gruppen feiern zu können. "Nach diesem
langen, harten Jahr wird das diesen Unabhängigkeitstag, an dem wir
nicht nur unsere Unabhängigkeit als Nation begehen, sondern auch
damit beginnen, unsere Unabhängigkeit von diesem Virus zu begehen, zu
etwas ganz Besonderem machen."
Voraussetzung sei aber, dass die
Menschen weiterhin Regeln zum Infektionsschutz einhielten, mahnte er.
Wissenschaftler hätten deutlich gemacht, dass sich die Lage mit der
Ausbreitung neuer Virus-Varianten wieder verschlechtern könne.
Vereinfachung von Impfungen geplant
Biden betonte, die Freigabe der Impfstoffe für alle Amerikaner
bedeute nicht, dass am 1. Mai sofort alle Erwachsenen geimpft würden.
Er kündigte aber Maßnahmen zur Vereinfachung von Impfungen an. Unter
anderem soll bis Mai eine Internetseite online gehen, die
Impfmöglichkeiten in der Nähe aufzeigt. Eine gebührenfreie
Telefonnummer soll dabei ebenfalls helfen. Die Zahl der Apotheken und
Gesundheitszentren, in denen Impfungen verabreicht werden, soll
deutlich steigen. Die Zahl der Soldaten zur Unterstützung der
Impfkampagne soll um mehr als 4000 auf über 6000 erhöht werden.
Biden hatte versprochen, dass in den ersten 100 Tagen nach seinem
Amtsantritt am 20. Januar 100 Millionen Impfdosen verabreicht würden.
Nach der Hälfte dieser Zeit wurde laut Angaben des Weißen Hauses vom
Donnerstag bereits die Marke von 81 Millionen Dosen überschritten.
Biden kündigte an, sein Ziel werde nach 60 Tagen im Amt erreicht sein – das wäre Ende nächster Woche. Inzwischen gebe es mehr als zwei
Millionen Impfungen am Tag, sagte er.
Fast jeder vierte Erwachsene wurde bereits einmal geimpft
In den USA leben rund 330 Millionen Menschen. Nach Angaben der
Gesundheitsbehörde CDC hat inzwischen fast jeder vierte Erwachsene
mindestens eine Impfstoff-Dosis verabreicht bekommen. Vollständig
geimpft sind knapp 13 Prozent der Erwachsenen und mehr als 30 Prozent
derjenigen, die 65 Jahre oder älter sind. Erst kürzlich kündigte die
Biden-Regierung an, dass die USA beim Hersteller Johnson & Johnson
zusätzliche 100 Millionen Impfdosen bestellen würden.
Kurz vor seiner Ansprache setzte Biden mit der Unterschrift unter
seinen "amerikanischen Rettungsplan" ein gigantisches Konjunkturpaket
gegen die Coronakrise in Kraft. Nur 50 Tage nach Amtsantritt konnte
der Demokrat damit sein erstes großes Gesetzesvorhaben verwirklichen.
Der Umfang des Konjunkturpakets in Höhe von rund 1.9 Billionen
US-Dollar (rund 1.6 Billionen Euro) entspricht fast zehn Prozent der
jährlichen US-Wirtschaftsleistung. Es soll die hart von der Pandemie
getroffene Wirtschaft ankurbeln und Millionen neuer Jobs schaffen.
Die ersten Amerikaner sollen bereits an diesem Wochenende
einmalige Direktzahlungen in Höhe von 1400 Dollar auf ihrem Konto
vorfinden, wie das Weiße Haus versprach. Für Familien mit Kindern
sind außerdem größere Steuererleichterungen und weitere
Direktzahlungen geplant. Zudem soll es Finanzierungshilfen für
Coronavirus-Tests, die Impfkampagne, Schulöffnungen sowie zusätzliche
Unterstützung für Arbeitslose geben.
Rund 530.000 Tote in den USA
Bidens Fernsehansprache war von Empathie geprägt - eine
Eigenschaft, die seinem Vorgänger Donald Trump eher nicht
zugeschrieben wurde. "Wir sind verbunden durch den Verlust und den
Schmerz vergangener Tage", sagte Biden, der den Angehörigen der
Pandemie-Opfer sein tiefes Mitgefühl aussprach. Der Demokrat erwähnte
Trump nicht namentlich, folgende Worte dürften aber auf den
Republikaner gemünzt gewesen sein: "Vor einem Jahr wurden wir von
einem Virus heimgesucht, dem mit Schweigen begegnet wurde und das
sich unkontrolliert ausbreitete", sagte Biden. "Leugnen über Tage,
Wochen, dann Monate führte zu mehr Todesfällen, mehr Infektionen,
mehr Stress und mehr Einsamkeit."
Exakt ein Jahr vor Biden hatte sich Trump in einer Ansprache zur
Coronakrise an die Nation gewandt. Er verkündete damals einen
Einreisestopp für Ausländer aus Europa, der bis heute in Kraft ist.
Trump - der die Gefahr durch das Coronavirus immer wieder kleinredete
- behauptete vor einem Jahr auch: "Keine Nation ist besser
vorbereitet und widerstandsfähiger als die Vereinigten Staaten."
Damals hatte die Statistik der Johns-Hopkins-Universität 1100
Coronavirus-Infektionen und 37 Tote in den USA verzeichnet.
Inzwischen sind es fast 30 Millionen bestätigte Infektionen und rund
530.000 Tote.
Nach einer am Donnerstag veröffentlichten Umfrage des Senders CNN
glauben inzwischen 77 Prozent der Amerikaner, dass die schlimmste
Phase der Coronakrise hinter ihnen liegt. Gute Werte gab es auch für
Biden: Mehr als zwei Drittel (67 Prozent) der Befragten vertrauen
darauf, dass er das Land aus der Krise führt. Biden sagte am
Donnerstag: "Es gibt Hoffnung und Licht." Vor den Amerikanern lägen
"nach einem der schwierigsten und dunkelsten Zeitabschnitte in der
Geschichte dieser Nation" nun bessere Tage.
(pas/dpa)
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