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Kita im Lockdown: Die GEW fordert mehr Unterstützung für Erzieher

In deutschen Kitas werden weiterhin im Schnitt 61 Prozent der Kinder betreut.
In deutschen Kitas werden weiterhin im Schnitt 61 Prozent der Kinder betreut.Bild: Johner RF / Johner Images
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"Fühlen uns alleine gelassen": Was Kita-Erzieherinnen wegen Corona erleben

11.01.2021, 17:2612.01.2021, 20:22
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Der scheinbar nie enden wollende Lockdown bringt so einige Menschen derzeit an ihre Grenzen. Betriebe haben Sorge um ihre Existenz, Schulen sind geschlossen, doch in vielen Bundesländern blieben die Kitas weiterhin geöffnet, wenn auch unter Vorbehalt – und das auf Kosten der Menschen, die dort arbeiten.

Björn Köhler, 40, ist Vorstandsmitglied der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und auch für die Kitas zuständig. Im Gespräch mit watson berichtet er von überlasteten Erzieherinnen, dem Länder-Wirrwarr und warum die momentane Debatte am Wohl der Kinder vorbei geht.

Personalmangel belastet die, die noch arbeiten können

"Viele Erzieherinnen und Erzieher machen sich Sorgen um die eigene Gesundheit", berichtet Köhler, "besonders, wenn die Träger die Hygiene- und Schutz-Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts (RKI) nur halbherzig umsetzen." Zwar sind Kitas weiterhin verhältnismäßig selten von Covid-19-Ausbrüchen betroffen, doch die Zahlen steigen.

"Viele Erzieherinnen und Erzieher machen sich Sorgen um die eigene Gesundheit."

Das zeigt die Corona-Kita-Studie, für die das RKI und das Deutsche Jugendinstitut wöchentlich aktuelle Meldungen aus deutschen Kitas auswertet. Demnach meldeten die Kitas Anfang Oktober nur ein Prozent Infektionsfälle, Anfang Dezember wurden aber schon in neun Prozent der Kitas bestätigte Corona-Infektionen registriert. "Das ist für viele Kolleginnen und Kollegen emotional belastend", so Köhler.

Steigende Infektionszahlen schaffen ein weiteres Problem: Denn schon vor Corona mangelte es den Kitas an etwa 100.000 Fachkräften, weitere Ausfälle durch Erkrankungen, Quarantäne oder nicht einsetzbare Risikogruppen "machen sich jetzt umso mehr bemerkbar", wie Köhler erklärt. "Es gibt Bundesländer, in denen 15 Prozent der Erzieherinnen und Erzieher ausfallen. Das aufzufangen, ist für die anderen kaum möglich. Die Rückmeldung, die wir diesbezüglich erhalten, ist deutlich: Viele Erzieherinnen und Erzieher sind an ihren Grenzen."

So müssen die ausfallenden Kolleginnen kompensiert werden, während der "Corona-konforme" Betrieb zusätzliche Arbeit bedeutet. Wie können feste Gruppen gebildet werden? Und wann dürfen diese die Räume wechseln? Wie sollen die Kinder gebracht und abgeholt werden? Wie finden Elterngespräche jetzt statt? "Der ganze Kita-Alltag muss umgeplant werden, das ist sehr viel Organisation", so Köhler.

Die Kitas sind trotz Lockdown oft voll

Der Lockdown zum Jahreswechsel, der immer noch anhält, schuf nicht die gewünschte Erleichterung in den Kindertagesstätten – weiterhin werden bundesweit im Schnitt 61 Prozent aller Kita-Kinder in die Einrichtungen gebracht, zeigen aktuelle Zahlen der Corona-Kita-Studie.
Schuld daran sind auch die schwammigen Ansagen der Politik und die vielen Einzelwege der Länder.

"Vor Weihnachten hatten wir die Situation, dass es nur in sieben Bundesländern einen tatsächlichen Lockdown gab", berichtet Köhler. "Alle anderen haben mit Appellen gearbeitet. Das führt aber dazu, dass ich als Elternteil keinen Anspruch auf Lohnersatz haben. Nur bei einer behördlich geschlossenen Kita kann dieser Anspruch gegebenenfalls geltend gemacht werden." Heißt: Berufstätige Eltern werden in einigen Ländern zwar gebeten, ihre Kinder zu Hause zu lassen, werden dabei aber nicht weiter unterstützt – und so bleiben die Kitas gut besucht.

"Das führt aber dazu, dass ich als Elternteil keinen Anspruch auf Lohnersatz habe."

"Das betrifft nicht nur sogenannte systemrelevante Berufe. In Berlin hat die Versicherung der Eltern gereicht, dass sie auf den Betreuungsplatz angewiesen sind, sie mussten das nicht mal nachweisen", so Köhler. In anderen Ländern, wie Hamburg und Nordrhein-Westfalen, werden die Kitas sogar prinzipiell offen gehalten. "Das ist ein großes Problem", sagt der gelernte Sozialarbeiter weiter. "Diese Entscheidung wird auf dem Rücken der Erzieherinnen und Erzieher ausgetragen, sie fühlen sich alleine gelassen."

Die Rechte der Kinder gehen im Corona-Betrieb unter

"Aus unserer Sicht ist es nicht möglich, Kitas offen zu halten, wenn nicht genug Personal vorhanden ist, um die Stammgruppen zu betreuen", sagt Köhler weiter. "Eigentlich müssen wir jetzt feste Gruppen mit festen Bezugserziehern haben – aber oft sind weder das Personal noch die Räumlichkeiten dafür da." Normalerweise lebt ein Kita-Betrieb auch von flexiblen Gruppen und dem Wechseln der Kinder von Raum zu Raum. So findet die Morgenrunde woanders statt als das Essen oder Nickerchen. Das entspräche den Bedürfnissen von Kleinkindern, "die sich frei bewegen sollen und eigene Rückzugsorte brauchen", erklärt Köhler, "das gehört zum Aufwachsen dazu." Diese Bedürfnisse kämen derzeit zu kurz, bemängelt er.

"Die Rechte der Kinder werden in der gesamten Debatte nicht diskutiert, diese Rechte leiden."

"Alle sprechen immer nur von Betreuung und Notbetreuung, als ob es nur darum geht, die Kinder ein paar Stunden am Tag abzugeben und zu beaufsichtigen, aber in Kitas passiert viel mehr: Es sind erste Anlaufstellen für Bildung und Förderung der Kleinsten. Gerade für Kinder aus prekären Familienverhältnissen, die zu Hause eine große Enge erleben oder sogar Gewalterfahrungen machen, ist die Kita ein sehr wichtiger Ort", das gehe momentan völlig unter. "Die Rechte der Kinder werden in der gesamten Debatte nicht diskutiert, diese Rechte leiden."

Für Erzieher und Erzieherinnen, die ihren Beruf lieben und mit viel Herzblut angehen, sei es sehr frustrierend, nur noch den Minimal-Anspruch erfüllen zu können. Köhler: "Sie brauchen Konzepte der Länder und Träger, wie sie auch unter Corona-Auflagen die Bedürfnisse der Kinder umsetzen können, wie Bildung trotzdem möglich ist." Das sei derzeit sein wohl größter Kritikpunkt, sagt er.

Politik muss klare Kriterien für Öffnung bestimmen

Der zweite Wunsch der Gewerkschaft sei es, dass die Politik einheitliche Lösungen bespricht, um dem Wirrwarr um Öffnungen und Schließungen entgegenzuwirken und Planungssicherheit zu gewinnen. So habe beispielsweise Bremen im Dezember einen sinnvollen Stufenplan installiert, so Köhler. "Dort richtet man sich nach klaren Kriterien, dem Infektionsgeschehen in der Region und dem Infektionsgeschehen in der Kita. Wird die Lage zu riskant, gehen die Einrichtungen dort in einen festgelegten Notbetrieb und nur in besonderen Fällen kann die Betreuung noch in Anspruch genommen werden." Klare und verständliche Systeme seien wichtig, damit die jeweiligen Leitungen "nicht völlig alleine mit ihren Entscheidungen dastehen und mit jedem Elternteil einzeln diskutieren müssen."

Viele Eltern handelten sehr verantwortungsvoll und ließen ihre Kinder den Appellen entsprechend zu Hause, andere jedoch würden auf ihren Kita-Platz pochen. Letztlich kann es aber weder den Eltern noch den Erzieherinnen und Erziehern aufgehalst werden, jeden Einzelfall zu organisieren. Köhler: "Wir brauchen eindeutige und verbindliche Konzepte der Politik. Und einen Plan, wie Bildung, Betreuung und Erziehung in Kitas möglich bleiben, solange kein Ende der Pandemie abzusehen ist."

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