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Feiern wie am Ballermann? Das tun die Städte gegen Partys im Freien

Corona-Streife der Polizei im Großeinsatz in der Sternschanze 28.05.20 - Hamburg: Am Donnerstagabend hat die Bereitschaftspolizei mit mehreren Fahrzeugen die Eindämmungsverordnung zu COVID19 durchgese ...
Eine Corona-Streife auf dem Hamburger Schulterblatt Ende Mai.Bild: www.imago-images.de / Luca Field
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Feiern wie am Ballermann? Das tun die Städte gegen Partys im Freien

25.07.2020, 12:0926.07.2020, 15:11
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Das Wetter ist gut, die Feierlaune groß – nur leider sind die Clubs noch zu und Bars können nur zu einem Bruchteil ausgelastet öffnen. Naheliegend also, sich mit Freunden vor dem Kiosk zu treffen und dann draußen zusammen zu trinken.

Doch in Zeiten von Corona, Abstandsregeln und Maskenpflicht ist das für die Städte ein Problem. Wie hält man die ausgelassenen Menschen zurück, damit die Partylaune nicht in Unvernunft umschlägt? Wir fragten in Hamburg und München nach.

Konfliktmanagement in München

Brigitte Gans arbeitet für das "Allparteiliche Konfliktmanagement in München". Das AKIM ist seit sieben Jahren an den beliebtesten Plätzen der Stadt unterwegs und versucht zwischen Draußen-Feiernden und Anwohnern zu vermitteln. Dieses Jahr musste es seine Teams vergrößern, erzählt Brigitte Gans: "Das Cornern in München ist seit Corona deutlich mehr geworden. Für junge Menschen gibt es nicht mehr viele Möglichkeiten, sich zu treffen und laut zu sein, Clubs, Bars und Konzerthallen sind zu. Dafür wird jetzt der öffentliche Raum genutzt."

"Die Menschen kommen mit Musikboxen, tanzen und grölen laut, agieren sich aus, so nach dem Motto: 'Jetzt waren wir so lange beschränkt, wir wollen die Stadt wieder für uns.'"
Brigitte Gans

Besonders in der Innenstadt sei jeden Abend viel los, auch das Isarufer sei sehr voll, sogar unter der Woche: "Es ist wie eine Befreiung für viele. Jeder warme Abend wird genutzt, nicht nur das Wochenende. Ich könnte mir vorstellen, dass es dabei auch eine Rolle spielt, dass viele im Homeoffice sind, Online-Uni haben oder nur beschränkt zur Schule gehen."

Die AKIM-Teams sind an festen Orten präsent und bleiben dort bis drei Uhr nachts. Im Gegensatz zu Polizei und Ordnungsamt haben sie zwar keine Befugnis, Verbote auszusprechen, versuchen aber an die Vernunft der Menschen zu appellieren, wenn die zu laut oder zu wild werden. Oft würde das auch sehr gut angenommen, sagt sie. "Viele sagen sofort: 'Ach, sind wir laut? Das tut mir leid.' Aber es gibt natürlich Menschen, die es nicht interessiert, ob sie andere nerven. Das ist diese Saison besonders spürbar. Die Menschen kommen mit Musikboxen, tanzen und grölen laut, agieren sich aus, so nach dem Motto: 'Jetzt waren wir so lange beschränkt, wir wollen die Stadt wieder für uns.'"

"Die Anrufer machen sich zum Teil auch Sorgen wegen Corona. Manchmal wird sehr dicht miteinander auf den Straßen gefeiert."
Brigitte Gans

Das Bedürfnis, sich auszutoben, Freunde zu treffen, locker zu sein, sei verständlich. Doch normalerweise können diese Bedürfnisse kontrolliert in Bars und Clubs ausgelebt werden. "Dort gibt es Türsteher, die aggressive Menschen nicht reinlassen und kontrollierten Ausschank. Dieser Rahmen fällt nun eben weg, wenn die Party nach draußen verlagert wird."

Interessant sei, dass die Feiernden 2020 ein viel gemischteres Publikum bildeten, als noch die Jahre zuvor. Vor allem das klassische Club-Publikum sei plötzlich auf den Straßen und den Wiesen unterwegs. Und auch das Gebiet der Draußen-Trinker hat sich ausgeweitet. "Letztes Jahr waren wir vor allem an zwei Plätzen unterwegs, dieses Jahr werden es vier oder fünf sein müssen", erzählt sie.

Vermüllung, öffentliches Urinieren und Ruhestörung – das alles versuchen die AKIM-Teams zu verhindern, indem sie die Feiernden an die Anwohner erinnern. Diese rufen die Mitarbeiter zur Hilfe, wenn es unter ihrem Fenster zu wild wird. "Die Anrufer machen sich zum Teil auch Sorgen wegen Corona. Manchmal wird sehr dicht miteinander auf den Straßen gefeiert", sagt sie. "Andererseits ist das Infektionsrisiko draußen ja geringer als in geschlossenen Räumen. Und so ganz lässt sich die Lust am Feiern eben nicht unterdrücken, irgendwo muss dieses Bedürfnis ausgelebt werden können."

Polizei in Hamburg

Auch bei der Hamburger Polizei sind die Draußen-Trinker Thema. "Wir stellen natürlich einen Zusammenhang zwischen gutem Wetter und Cornern fest", sagt uns Sprecher Holger Vehren. "Letztes Wochenende waren wieder jede Menge Menschen auf St. Pauli und der Sternschanze unterwegs."

Um die Eindämmungsverordnung durchzusetzen, muss die Polizei schauen, dass die Feiernden ausreichend Abstand zueinander wahren. Doch das ist nicht so leicht, erklärt er. "Am Anfang war es noch übersichtlich. Doch jetzt, wo zehn Menschen zusammen sein können, wird es schon schwieriger zu beurteilen, wo eine Gruppe anfängt und wieder aufhört. Beim Fußball kann man Gruppierungen anhand von Trikots unterscheiden, aber bei gemischtem Straßenpublikum ist das schwierig."

"Manchmal erkennt man, dass sich Menschen vor Kiosken oder Lokalen ansammeln, die viel Alkohol verkaufen. Wenn das Überhand nimmt, können wir diese Läden schließen lassen."
Holger Vehren

Wenn die Polizei das Gefühl hat, dass zu viele Menschen aufeinander treffen, arbeitet sie momentan mit zwei Maßnahmen: Zugang bremsen und Lokale schließen.
"Wenn eine Straße zu voll wird, wird sie spontan von uns gesperrt, damit nicht noch mehr Menschen hineinströmen. So haben wir das am Wochenende auf zwei Straßenzügen auf St. Pauli gehandhabt, damit weiter Abstand gewahrt werden konnte. Nach einer Weile entzerrt sich das Geschehen dann und wir können wieder öffnen."

Auf St. Pauli seien dieses Wochenende zur Topzeit 25.000 Menschen unterwegs gewesen, berichtet er weiter. Das klingt viel. Doch in den vergangenen Jahren waren es sogar bis zu 50.000 Menschen. "Da die Clubs noch zu sind, ist die Reeperbahn eher leerer als sonst", erzählt er.

Trotzdem sei es manchmal nötig, Ballungen aufzulösen, um das Infektionsschutzgesetz einzuhalten und Partys wie am Ballermann zu verhindern. Die zweite Methode, die der Polizei dabei zur Verfügung stünde, sei die vorübergehende Schließung von Lokalen. "Manchmal erkennt man, dass sich Menschen vor Kiosken oder Lokalen ansammeln, die viel Alkohol verkaufen. Wenn das Überhand nimmt, können wir diese Läden schließen lassen, um die Situation zu entzerren, das war am Wochenende neunmal nötig."

Insgesamt würden diese Maßnahmen von der Bevölkerung gut angenommen, auch wenn die Akzeptanz der Polizei "mit zunehmendem Alkoholkonsum abnimmt". Ein Uneinsichtiger sei am Wochenende in Gewahrsam genommen worden, für die Hamburger Polizei ist das aber alles überschaubar. "Die meisten Menschen, auf die wir treffen, sind vernünftig und verstehen, dass es der Stadt darum geht, Corona einzudämmen."

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