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Armut und Gesundheit: Warum Hartz-4-Empfänger oft schwerer an Corona erkranken

Rear view of mature female radiologist examining chest X-ray in hospital. Horizontal shot.
Hartz-IV-Empfänger erkranken häufiger schwer an Covid-19 – die Ursachen sind noch nicht ganz klar. (Symbolbild)Bild: getty / E+ / Neustockimages
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Armut und Gesundheit: Warum Hartz-IV-Empfänger oft schwerer an Corona erkranken

21.06.2020, 11:1422.06.2020, 07:07
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Armut macht krank, das ist keine Neuheit: Wer von finanzieller Not betroffen ist, empfindet mehr Stress, hat weniger Möglichkeiten, sich gesund zu ernähren oder leidet unter mangelhaften Wohnbedingungen. Arbeitslosigkeit verdopple sogar das Sterberisiko, fanden Forscher des Max-Planck-Instituts heraus.

Während der Corona-Pandemie ist noch deutlicher geworden, wie sehr sich prekäre Lebensumstände auf die Gesundheit auswirken können. Das legten bereits Studien aus den USA oder Großbritannien nahe.

Nun zeigt eine gemeinsame Analyse der AOK Rheinland/Hamburg und des Instituts für Medizinische Soziologie des Universitätsklinikums Düsseldorf: Wer arbeitslos ist, hat ein größeres Risiko, schwer an Covid-19 zu erkranken.

Hartz-IV-Empfänger haben ein besonders hohes Risiko, schwer an Covid-19 zu erkranken

Für ihre Untersuchung haben die Studienleiter Krankenkassendaten von mehr als 1,3 Millionen Versicherten ausgewertet, die sich wegen einer Covid-19-Erkrankung ins Krankenhaus begeben mussten. Dabei haben sie festgestellt, dass Hartz-IV-Empfänger – also Bezieher von ALG II – ein um 84,1 Prozent höheres Risiko haben, wegen der Lungenkrankheit im Krankenhaus behandelt werden zu müssen. Bei Beziehern von Arbeitslosengeld, also ALG I, ist das Risiko eines schweren Krankheitsverlaufs um 17,5 Prozent erhöht.

Mögliche Ursachen für die Studienergebnisse sieht Nico Dragano, Professor am Institut für Medizinische Soziologie des Universitätsklinikums Düsseldorf, in der gesundheitlichen Vorbelastung arbeitsloser Menschen. Im Interview mit watson sagt er:

"Arbeitslose, vor allem Langzeitarbeitslose, sind häufiger von chronischen Krankheiten betroffen – beispielsweise von Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Auch leiden sie überdurchschnittlich häufig unter Risikofaktoren wie Übergewicht."

Gerade die Vorerkrankungen, unter denen Hartz-IV-Empfänger überdurchschnittlich leiden, erhöhen die Wahrscheinlichkeit, einen schweren oder gar tödlichen Krankheitsverlauf nach einer Ansteckung mit dem Coronavirus zu erleiden. Das bestätigte Lungenfacharzt Thomas Voshaar vom Krankenhaus Bethanien Moers gegenüber watson: "So haben wir festgestellt, dass Patienten mit Diabetes oder Hypertonie, also Bluthochdruck, unabhängig vom Alter am ehesten einen schweren Krankheitsverlauf erleben."

Eindeutige Gründe, warum Hartz-IV-Empfänger besonders betroffen sind, gibt es noch nicht

Dragano gibt zu bedenken, dass "der dauerhafte Stress, den Menschen, die in Armut leben, empfinden", auf lange Sicht auch die physische Gesundheit beeinflussen würde. Armut schafft allerdings nicht immer Krankheit – manche sind auch zuerst chronisch erkrankt, bevor sie ihre Arbeit aufgeben mussten:

"Unter den Langzeitarbeitslosen gibt es auch solche, die bereits wegen Vorerkrankungen aus dem Arbeitsleben ausgeschieden sind. Das sollte hierzulande eigentlich nicht passieren – kommt allerdings immer wieder vor."

Die genauen Gründe für das stark erhöhte Risiko, als Arbeitsloser einen schweren Covid-19-Verlauf zu erfahren, müssen noch untersucht werden. Dass Hartz-IV-Empfänger wegen mangelnder Aufklärung aber möglicherweise nicht rechtzeitig zum Arzt gehen oder keinen Zugang zur medizinischen Versorgung haben, kann Dragano zum derzeitigen Zeitpunkt nicht bestätigen:

"Darauf gibt es keine eindeutigen Hinweise. Die gesundheitliche Versorgung in Deutschland ist auch für Arbeitslose sehr gut. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass jemand mit einer akuten Erkrankung nicht zum Arzt oder ins Krankenhaus geht."

Bei präventiven Untersuchungen könnte es möglicherweise Unterschiede geben, gibt der Soziologe zu bedenken.

(ak)

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