Hier sprechen regelmäßig Menschen, die von Armut betroffen sind.
Jana (Name von der Redaktion geändert) ist 33 Jahre alt, gelernte IT-Systemkauffrau und alleinerziehende Mutter. Ihre Tochter wurde im März 2017 geboren, Jana trennte sich im September 2017 von ihrem Mann und bezieht seit Januar dieses Jahres Hartz IV – weil sie für ihre Tochter da sein möchte, wie sie sagt. Das Elterngeld ist im März 2018 ausgelaufen.
Der Gesamtbetrag von 1260 Euro monatlich setzt sich zusammen aus:
Für sich und ihre Tochter hat sie also knapp 630 Euro netto pro Person zur Verfügung.
Die monatlichen Fixkosten verteilen sich auf Miete, Versicherungen, Telefon, etc. und betragen ungefähr 760 Euro. Mutter und Kind bleiben damit rund 500 Euro monatlich zum Leben.
Nach der Elternzeit hätte ich auch sagen können, ich gehe wieder arbeiten, aber das ist es mir a) nicht wert und b) bekomme ich so schnell keinen Kita-Platz. Zudem möchte ich meine Tochter nicht mit einem Jahr schon in Fremdbetreuung geben. Dafür ist die Zeit zu wertvoll.
Denn: In den ersten drei Jahren wird das Urvertrauen gebildet und es passiert so viel, was das Kind für sein späteres Leben prägt. Für mich ist es extrem wichtig, dass die engste Bezugsperson – und die bin ich als Mutter – zeigt: 'Ich bin immer für dich da, du bist nicht alleine und du hast immer die Hilfe, die du brauchst.'
Klar wird sie mit drei Jahren in den Kindergarten gehen – sofern sie einen Platz bekommt. Aber davor möchte ich nicht, dass sich überlastetes Erziehungspersonal um sie kümmert. In der Kita kommen meistens dreißig Kinder auf einen Erzieher. Wenn dann noch die Bezugsperson dort Urlaub hat oder krank ist, dann geht da so viel verloren – das finde ich bescheuert.
Nein.
Wir hätten dann ja auch eine gemeinsame Wohnung, gemeinsame Versicherungen, etc. und dadurch wesentlich geringere Kosten.
erwerbsbeteiligung.eu-silc-bericht 2015
Bewerben muss ich mich nicht, da ich aktuell ein
Kind unter drei Jahren habe. Zum Glück sieht das Gesetz hier vor, dass die
Erziehung wichtiger ist und das Amt darf mich gar nicht dazu anhalten, mich zu
bewerben.
Aber ich werde, wenn meine Tochter mit drei Jahren im Kindergarten ist, eine Umschulung
und im Anschluss einen Techniker im Bereich Energie und Umwelt machen. Ich muss
mich nur noch informieren inwieweit das JobCenter/Arbeitsamt da unterstützt
und ob es da idealerweise auch ein Angebot zum dualen Studium gibt.
Nein. Wir kommen mit dem Geld soweit ganz gut klar, obwohl ich sogar immer frisch koche. In manchen Monaten ist das Geld dennoch schon sehr früh aufgebraucht. Was ich gar nicht kann: Rücklagen bilden. Das Amt sagt aber, dass man von dem Geld Rücklagen bilden muss.
Das kommt immer darauf an.
Das ist dann eher so, dass ich sie morgens anziehe und merke 'Der Body passt aber gar nicht mehr. Verdammt.' Das kann ich nicht planen. Wenn es knapp wird, dann wird es meistens so um den 20./25. herum knapp.
Auch wenn es nur mal eine Woche Nordsee oder Holland auf dem Zeltplatz wäre. Außerdem habe ich kein Auto. Wenn ich eins brauche, dann muss ich das von meinen Eltern ausleihen. Klar, würde das mit dem Zug gehen, aber das ist dann oft mit Kind sehr umständlich, wenn wir zum Beispiel einfach nur aufs Land fahren wollen. Und sowas wie abends rausgehen. Das fehlt mir auch.
Puh. Ich habe mir eine neue Sonnenbrille gekauft, weil mein Kind die Alte kaputt gemacht hat.
Wenn Mütter das gerne machen wollen und das für sie funktioniert, dann finde ich das ok, aber dieser Zwang. Ich werde auch ganz doof angeschaut, wenn ich sage, dass ich freiwillig zu Hause bleibe, weil es das Beste für mein Kind ist. Ich verzichte auf Luxusprodukte oder Urlaub.
Auf Mütter und gerade alleinerziehende Mütter wird ein wahnsinniger Druck ausgeübt, wenn es ums Thema Arbeit geht.
Langfristig muss sich was im Denken der Menschen ändern. Denn: Kinder sind unsere Zukunft. Wir haben zu wenige Kinder, weil die Bedingungen nicht gut sind. Aber da muss auch die Politik mitziehen.
Kurzfristig würde es helfen, wenn das Kindergeld und der Unterhalt endlich nicht mehr oder nur teilweise auf das Hartz IV angerechnet werden würden.
Ich bin dafür, weil ich mich selbst immer von einem Zweijahresvertrag zum Nächsten gehangelt habe. Jeder Vertrag endete mit einem super Zeugnis, einem Winken und einem 'Tschüss, schönes Leben noch.' – und ich musste mir jedes Mal wieder was Neues suchen. Nie hatte ich vorher so viel verdient, dass ich erstmal von Rücklagen leben hätte können. Immer war ich darauf angewiesen, so schnell wie möglich zum Amt zu rennen und nur keine Frist zu verpassen.
Wenn wir ein bedingungsloses Grundeinkommen hätten, dann würden wir uns eine Menge Bürokratie sparen und die Menschen hätten weniger Stress und Druck. Das würde den Menschen die Existenzängste nehmen, wenn sie wüssten, dass sie darauf zurückgreifen können.
Video: watson/Johanna Rummel