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Wer laut Epidemiologen Markus Scholz als erstes geimpft werden sollte

Ab dem 27. Dezember könnten die ersten Menschen in Deutschland gegen Corona geimpft werden. (Symbolbild)
Ab dem 27. Dezember könnten die ersten Menschen in Deutschland gegen Corona geimpft werden. (Symbolbild)Bild: iStockphoto / Pornpak Khunatorn
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Epidemiologe: "Impfung ist notwendig, um eine dritte Welle zu verhindern"

18.12.2020, 13:0818.12.2020, 15:51
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Großbritannien und die USA haben bereits mit dem Impfen gegen Corona begonnen, auch in Deutschland könnte es bald so weit sein: Die Ständige Impfkommission (Stiko) entscheidet hierzulande am Montag über die Zulassung des ersten Impfstoffs gegen Sars-CoV-2. Sollte diese beschlossen werden, könnten gleich nach Weihnachten, am 27. Dezember, die ersten Menschen in Deutschland gegen Corona geimpft werden.

Am Freitag präsentierte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) den Impfplan: Laut RND sollen Menschen ab dem 80. Lebensjahr sowie Pflegekräfte mit sehr hohem Infektionsrisiko die Impfung als erstes erhalten. Auch Pfleger, deren Patienten ein hohes Risiko für einen schweren oder tödlichen Krankheitsverlauf haben, zählen zu dieser Gruppe.

Wer als erstes geimpft werden sollte und was passiert, wenn sich große Teile der Bevölkerung gegen die Impfung entscheiden – darüber hat watson mit dem Epidemiologen Markus Scholz von der Universität Leipzig gesprochen. Er betreibt mit seiner Arbeitsgruppe seit 15 Jahren Infektionsforschung und untersucht aktuell die Corona-Pandemie.

"Vorliegende Daten und Simulationen lassen vermuten, dass eine Herdenimmunität erst bei zirka 75 Prozent Immunisierten zu erwarten ist."

watson: Gesundheitsminister Jens Spahn rechnet damit, dass bis Sommer 60 Prozent der Bevölkerung geimpft sind. Reicht das aus, um eine weitere pandemische Welle zu verhindern?

Markus Scholz: Nicht ganz. Vorliegende Daten und Simulationen lassen vermuten, dass eine Herdenimmunität erst bei zirka 75 Prozent Immunisierten zu erwarten ist. Das setzt aber auch voraus, dass die Immunisierung dauerhaft ist. Das wissen wir noch nicht.

Was passiert, wenn diese Quote nicht erreicht wird? Kann man berechnen, wie sich dann die Corona-Fallzahlen ab heute entwickeln könnten?

Wenn keine Herdenimmunität erreicht wird, ist damit zu rechnen, dass weiterhin begleitende Maßnahmen zur Pandemie-Kontrolle eingehalten werden müssen, wie zum Beispiel Kontaktverfolgungen und AHA+L-Regeln, um weitere Wellen zu verhindern. Je mehr Menschen aber immunisiert sind, desto schwächer können diese Maßnahmen sein. Da wir über die langfristige Wirksamkeit des Impfstoffes noch nichts wissen, sind Vorhersagen dazu aktuell nicht möglich.

"Es ist sinnvoll, am Anfang Personen mit vielen Kontakten zu impfen, besonders, wenn diese Kontakte mit Risikokollektiven haben. Dies betrifft zum Beispiel Ärzte und Pflegepersonal."

Was wäre, wenn sich niemand bis Sommer 2021 impfen lassen würde?

Es wäre dann regelmäßig mit neuen Wellen zu rechnen, insbesondere im Winterhalbjahr. Ob sich hierdurch irgendwann eine Herdenimmunität "von selbst" ergibt, ist aktuell unklar. Es wäre gefährlich, darauf zu hoffen.

Schützt der Impfstoff nur die Person, die das Mittel bekommt? Kann sie trotzdem weiterhin Viren verbreiten?

Nein, er schützt auch die Personen, die mit der geimpften Person in Kontakt treten. Deshalb ist es sinnvoll, am Anfang Personen mit vielen Kontakten zu impfen, besonders, wenn diese Kontakte mit Risikokollektiven haben. Dies betrifft zum Beispiel Ärzte und Pflegepersonal.

"Ich gehe stark davon aus, dass sich die Situation ab März/April deutlich entspannen wird, auch wenn bis dahin nur ein kleiner Teil der Bevölkerung geimpft ist."

Würde die Pandemie auch ohne Impfstoff abflachen, sobald es wieder wärmer werden würde?

Ja, wie alle anderen Corona-Viren auch, zeigt Sars-CoV-2 eine deutliche Saisonalität. Es war klar, dass die Wintermonate besonders kritisch werden. Ich gehe stark davon aus, dass sich die Situation ab März/April deutlich entspannen wird, auch wenn bis dahin nur ein kleiner Teil der Bevölkerung geimpft ist. Die Impfung ist notwendig, um eine dritte Welle im Winter 2021/22 zu verhindern.

Selbst wenn wir eine hohe Impfquote erreichen: Werden wir die AHA-Regeln noch weiter beachten müssen? Wenn ja, wie lange?

Wir müssen abwarten, wie gut beziehungsweise langanhaltend die Immunisierung wirklich ist. Das wissen wir nicht. Im besten Falle wäre bei Erreichen der Herdenimmunität tatsächlich eine Rückkehr zur völligen Normalität möglich. Falls keine Herdenimmunität entsteht, sind gegebenenfalls Nachimpfungen oder regelmäßige Impfungen notwendig, wie bei der Grippe. Wir werden dann aber auf jeden Fall nicht mehr so hohe Zahlen an Infizierten und Todesfällen haben, wie bei der aktuellen Welle.

(ak)

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