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"Es kotzt mich an": Einzelhändler sprechen über Lockdown

Der Einzelhandel ist seit heute im Lockdown. Viele kleine Läden werden darunter leiden, wenn das Weihnachtsgeschäft ausbleibt.
Der Einzelhandel ist seit heute im Lockdown. Viele kleine Läden werden darunter leiden, wenn das Weihnachtsgeschäft ausbleibt.Bild: www.imago-images.de / Ralph Peters
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"Es kotzt mich an" – Einzelhändler sprechen über Lockdown

17.12.2020, 12:56
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Die Weihnachts-Shopping-Zeit war in diesem Jahr kürzer als geplant: Bis auf Geschäfte des täglichen Bedarfs ist seit diesem Mittwoch und bis zum 10. Januar alles dicht. Zeit, sich auf den erneuten Lockdown einzustellen, hatten die Geschäftsleute kaum. Wegen der stark gestiegenen Corona-Infektionszahlen hatten Bund und Länder die Schließung am Sonntag beschlossen – gerade mal zwei Tage blieben plötzlich noch für das Weihnachtsgeschäft.

Große Ketten wie Ikea, Media Markt oder Saturn zeigen sich optimistisch, gut durch den harten Lockdown zu kommen beziehungsweise setzen auf Online-Shopping-Optionen (watson berichtete). Wie steht es aber um kleinere Läden wie Buchhandlungen, Möbelläden und Geschenkeshops? Viele von ihnen haben kein oder nur ein kleines Online-Angebot, verfügen über wenige finanzielle Rücklagen und sind auf das Weihnachtsgeschäft besonders angewiesen.

Watson hat mit vier Einzelhändlern und Einzelhändlerinnen über ihre aktuelle Lage gesprochen.

"Als Geschäftsinhaber müssen Sie schon privat zuschießen können, sonst stehen Sie an der Wand"

Imke Bentrup ist Inhaberin von "Le Soleil de Provence", einem Geschäft für Inneneinrichtung, Stoffe und Geschenkartikel in Bad Iburg im Landkreis Osnabrück.

"Die letzten zehn Tage des Jahres sind der größte Umsatzbringer. Der bricht mit dem Lockdown weg. Wir erarbeiten normalerweise in diesen Tagen den Überschuss, den wir für die ruhigen Monate Januar und Februar brauchen. Man muss schon ganz schön starke Nerven haben, um das zu überstehen.

Und ich bin überzeugt davon: Das Problem ist nicht der Einzelhandel, auch nicht die Restaurants. Die Politik ist nicht an der Basis, die sehen nicht, was los ist. Ich sehe das selbst in den großen Häusern in Osnabrück: Die gehen so sorgsam um mit den Hygienevorschriften, mit der Anzahl der Kunden. Dieser Lockdown ist nur erforderlich, weil die Menschen im privaten Bereich nicht vorsichtig genug waren. Oder die Ansteckung passierte in überfüllten Schulbussen. Man ist im Sommer irgendwie wieder zur Normalität übergegangen. Wir sind oberflächlicher geworden, haben uns wieder mit anderen Menschen getroffen. Es fühlte sich fast wieder an, als wäre nichts.

"Wenn die Gastronomie 75 Prozent des Umsatzes bekommt, dann fordern wir im Einzelhandel das auch ein."

Wenn schon, dann sollten sie wirklich ganz abschotten und so konsequent sein, dass niemand mehr irgendwo hinfahren darf. Wir werden nach diesem Lockdown noch höhere Zahlen haben, wegen der Lockerungen zu Weihnachten.

Es war ja auch nicht so, dass wir im November wahnsinnige Umsätze generieren konnten. Wir Geschäfte im Einzelhandel hängen dran an den Restaurants – wer fährt in eine Stadt, in der er keinen Kaffee trinken, nicht essen, nicht auf die Toilette gehen kann?

Als Geschäftsinhaber müssen Sie schon privat zuschießen können, sonst stehen Sie an der Wand. Die Überbrückungshilfen sind natürlich erstmal gut und wichtig, aber die müssen dann auch wirklich kommen. Und wenn die Gastronomie 75 Prozent des Umsatzes bekommt, dann fordern wir im Einzelhandel das auch ein."

"Es kotzt mich an"

Silke Reichelt ist Mitinhaberin der Buchhandlung Anton Reiser in Dortmund.

"So wie das mit den Corona-Maßnahmen abgelaufen ist, kotzt es mich an. Für uns kam die Entscheidung sehr plötzlich, weshalb wir jetzt vor vollendeten Tatsachen stehen. Und dann auch noch kurz vor dem Weihnachtsgeschäft. Wir wissen noch nicht, ob wir im nächsten Jahr gewohnt weitermachen können.

"Zwei starke Tage können die weitaus schwächeren Wochen kaum aufwiegen."

Sobald wir schließen, werden logischerweise auch die Einnahmen sinken – gen Null. Einen Online-Shop haben wir nicht. Und zwei starke Tage können die weitaus schwächeren Wochen kaum aufwiegen."

"Das wird nicht wenigen Einzelhändlern den Garaus machen"

Olaf Krüger ist Inhaber von Allmyfriends, einem Geschäft für faire Mode und Haushaltsartikeln im Hamburger Schanzenviertel.

"Dieser zweite Lockdown trifft mich. Es ist hart, wenn man den Laden in der Zeit mit dem höchsten Umsatz schließen muss und weiß, das Geld haben jetzt Amazon und Co. Ich habe nicht damit gerechnet, dass die Politik eine derartige Entscheidung fällt. Es wird nicht wenigen Einzelhändlern den Garaus machen. Im ersten Lockdown ging es schon rapide bergab – nicht geöffnet zu haben hieß Null-Umsatz. Die Nicht-Arbeit war auch für meine Angestellten ein Grauen: nicht nur weniger Geld zu haben, sondern als Student und Studentin auch kaum Stütze zu bekommen, war für sie eine unschöne Erfahrung. Darüber hinaus weigerte sich der Vermieter auf Teile der Miete zu verzichten. So ist unsere staatliche Unterstützung direkt an ihn gegangen...

"Es ist hart, wenn man den Laden in der Zeit mit dem höchsten Umsatz schließen muss und weiß, das Geld haben jetzt Amazon und Co."

In der aktuellen Zeit profitieren die Läden in den Wohnvierteln mehr als jene, die in der Innenstadt sind, oder wie wir im Touristenviertel, da die Kunden nicht mehr allzu weit fahren wollen. Was man auch nicht vergessen darf, ist, dass sich das Einkaufsverhalten verändert hat: Mode ist in diesem Jahr out – warum auch Klamotten kaufen, wenn man keine Gelegenheit hat, diese zu präsentieren?

Ich würde gern sagen, dass die Regierungen ihren Job gut machen. Leider stimmt das nicht. Meines Erachtens wurde zu wenig langfristig gedacht. Dass der Lockdown-Light seine Wirkung verfehlt hat, war kein großes Wunder, wenn man die Wochen und die Hotspots zuvor anschaute. Eine Entscheidung wie Österreich, also ein harter Lockdown zu Beginn, um dann Anfang Dezember mit besseren Fallzahlen wieder zu öffnen, wäre sinnvoller gewesen."

"Für uns ist es eine Katastrophe"

Christine Berg (Name von der Redaktion geändert) ist Mitarbeiterin im Second-Hand-Möbelgeschäft Schönhauser Design in Berlin.

"Jetzt im Weihnachtsgeschäft ist der Lockdown der Super-Gau, soviel ist klar. Es ist zudem schwierig, fürs nächste Jahr zu planen. Wir haben uns schon auf einen Lockdown eingestellt, aber nicht innerhalb von zwei Tagen. Dass wir nicht bis zum Ende der Woche geöffnet bleiben dürfen, ist für mich nicht nachvollziehbar. Gerade für die anstehenden Festtage sind mehr Mitarbeiter eingeplant und Waren bestellt. Immerhin gingen wir davon aus, mehr zu verkaufen.

"Dass wir nun aufs Internet setzen müssen, ist für uns nicht gerade toll. Wir sind schon ein bisschen älter."

Für uns ist es ebenfalls eine Katastrophe, kurz vor Weihnachten in Kurzarbeit zu gehen. Wir müssen Weihnachtsgeschenke kaufen und auch die Feiern sind nicht günstig, selbst, wenn wir sie nun kleiner halten. Der Lockdown wird zwar nicht das Ende unseres Geschäfts bedeuten, aber dennoch schmerzen. Zumal es nicht klar ist, ob wir zum 10. Januar wieder öffnen können. Eine Verlängerung des Lockdowns ist meiner Meinung nach wahrscheinlich.

Online-Shopping ist nicht unser Steckenpferd, wir müssen aber trotzdem darauf setzen. Ursprünglich wollten wir das schon im ersten Lockdown angehen, aber dann war doch relativ viel zu planen, vor allem, als wir wieder öffnen durften. Dass wir nun aufs Internet setzen müssen, ist für uns nicht gerade toll. Wir sind schon ein bisschen älter. Da mit dem Internet rumzuspielen, Bilder hochzuladen, Texte zu schreiben und auf die direkte Interaktion mit den Kunden zu verzichten, ist leider wahnsinnig anstrengend. Naja, aber andere Optionen bleiben uns da nicht."

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