Wer an vegane Küche denkt, denkt nicht unbedingt zuerst an den Discounter Aldi. Und doch hat es der Billig-Supermarkt geschafft, den Vegan Food Award zu bekommen. Die Tierschutzorganisation Peta hat ihn damit ausgezeichnet - und zum "veganfreundlichsten Supermarkt" erklärt.
Moment mal, veganfreundlichster Supermarkt? Ist Aldi nicht bekannt für billiges Fleisch aus Massentierhaltung? Oder dafür, den Milchpreis noch weiter runterzudrücken? Diese und andere Kritikpunkte konnte man direkt nach der Bekanntgabe auch auf Twitter lesen.
"Was zur Hölle, Peta?", postete etwa ein User auf Twitter. "Wollt ihr mich eigentlich verarschen?", fragte ein anderer. "Es ist krank, den größten Anbieter von Fleisch zum Dumping-Preis als veganfreundlich zu bezeichnen, weil man da eine vegane Wurst kaufen kann."
Peta verteidigt die Entscheidung gegenüber watson. Ziel des Awards sei es, gerade Leute zu erreichen, die Fleisch, Milchprodukte und Eier essen und sie auf vegane Produkte hinzuweisen. "Bei Aldi findet man mittlerweile sehr viele vegane Alternativen, und das wollten wir honorieren", so Frank Schmidt von Peta gegenüber watson.
Jeder große Supermarkt verkaufe Fleisch, Milchprodukte und Eier. Peta wolle, dass dieses Sortiment weiter schrumpfe und mehr vegane Produkte in den Handel kämen.
Peta führe mit Aldi und anderen Einzelhändlern seit Jahrzehnten kritische Gespräche, fordere vegane Produkte im Bereich Lebensmittel, aber auch bei Mode und Kosmetik. Und das mit Erfolg, wie Schmidt betont: "Aldi hat sein Sortiment sehr erweitert, auch bei Eigenmarken. Und das ist auch der Verdienst von Peta, weil wir uns dafür stark machen." Man werde daher kritisch im Gespräch bleiben, aber gute Entwicklungen auch anerkennen.
Aber wie sehen das Veganer, in deren Namen der Award ja quasi verliehen wurde? Wir haben mit Aljosha Muttardi und Gordon Prox gesprochen. Die beiden Hamburger betreiben den Youtube-Channel "Vegan ist ungesund" und ernähren sich vegan. In ihren Videos beleuchten sie die gängigen Vorurteile gegen Veganer.
Grundsätzlich fände er die Signalwirkung dieser Auszeichnung sehr wichtig, sagt Gordon gegenüber watson. Das Thema komme immer mehr in die Mitte der Gesellschaft an.
Das sieht auch Aljosha so. Mit Blick auf die Kritik an der Auszeichnung erinnert er daran, dass es lediglich darum gehe, den "veganfreundlichsten" Discounter auszuzeichnen. "Es handelt sich nicht um den 'Höchste moralische Instanz'- Award."
Er räumt ein, dass Aldi in vielerlei Hinsicht kritikwürdig sei und spricht die Dumpingpreise generell, besonders aber bei Fleisch und anderen tierischen Produkten, an.
Weiter sagt er: "Mich stört es aktuell etwas, dass Unternehmen, die versuchen etwas Positives zu bewirken, dafür kritisiert werden, dass sie sich in irgendeiner Weise widersprechen, anstatt sich auf das eigentliche Problem zu konzentrieren: Massentierhaltung."
Peta und andere Organisationen hätten bereits Kritik an der Preispolitik von Aldi geäußert. Die Tatsache, dass durch die Auszeichnung darauf hingewiesen werde, dass es mehr tierleidfreie Alternativen im Supermarkt gebe, mache diese Kritik ja nicht ungeschehen. "Kurz: Ich find's gut."
Auf die Frage, ob es als Veganer denn überhaupt vertretbar sei, bei Aldi einzukaufen, antwortet Gordon: "Aus meiner Perspektive geht es in erster Linie darum, dass Menschen der Umstieg von tierischen Produkten auf vegane Alternativen so einfach wie möglich gestaltet wird." Und dafür seien, Stichwort Geldbeutel, Discounter nun mal essenziell.
"Wir leben in einer kapitalistischen Welt, in der sehr viel Ungleichheit herrscht", ergänzt Aljosha. Er finde es gut, dass vegane Produkte günstig verkauft und somit für jeden Menschen zugänglich gemacht würden.
Es gehe aber primär darum, veganes Essen massentauglich und für möglichst viele zugänglich zu machen. "Jeder Regen fängt mit einem Tropfen an und ich freue mich über jeden Tropfen, der dazukommt."
Beide erklären außerdem, sie gingen nur im Bio-Supermarkt ihres Vertrauens einkaufen. Für ihn sei gesunde Ernährung ein Privileg und er sei sehr dankbar, in der Position zu sein, sich Bio-Produkte leisten zu können, sagt Aljosha. Gordon will in Zukunft aber mal bei Aldi reinschauen und sich angucken, was das vegane Sortiment so macht. "Neugierig bin ich auf jeden Fall schon."