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Impfen: Früher war ich dagegen – heute versuche ich, Impfgegner aufzuklären

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Bild: privat / watson Montage
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Ich wollte Eltern überzeugen, dass Impfen schlecht ist – und scheiterte glücklicherweise

viola morgenbrod
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Viola Morgenbrod hat unter anderem Biochemie und Biomedizin studiert. Ihre Eltern waren Alt-68er – Impfen war für die Familie damals kein Thema. Erst als Erwachsene und Mutter hat Morgenbrod sich mit Impfungen und ihrer Einstellung dagegen auseinandergesetzt. Dabei lernte sie, ihre eigenen Ansichten infrage zu stellen. Die Geschichte einer Imfpgegnerin, die keine mehr ist.
14.06.2019, 19:07

Impfen war für mich bis zum Erwachsenenalter kein Thema. Ich dachte immer: Manche impfen, manche eben nicht. Und ich gehörte zur letzteren Gruppe: Als Kind wurde ich nur gegen Dypthterie, Tetanus und Polio geimpft.

Ansonsten hielten meine Eltern, typische Alt-68er, nicht so viel von dem Thema. Vor allem meine Mutter war in der Hinsicht skeptisch und meinte, die Spritzen würden eher schaden als schützen. Deswegen verliefen viele Kinderkrankheiten bei mir auch komplizierter als bei anderen Menschen.

Auch als Erwachsene war ich noch fest davon überzeugt, dass Impfen unnötig sei. Erst kurz nachdem ich mein erstes Kind geboren habe, wurde Impfen ein Thema für mich: Als mein Sohn etwa vier Monate als war, fing ich an, meine Anti-Impf-Haltung in Elternforen im Internet zu vertreten.

Als ich mich gegen das Impfen äußerte, bekam ich Gegenwind

Und da ist es dann ganz schön auf mich eingeprasselt: Wie, ich würde mein Kind nicht impfen lassen wollen?

Ich war wütend. So wütend, dass ich anfing, intensiv zum Impfschutz zu recherchieren. So wütend, dass ich sämtliche Bücher zu diesem Thema verschlang. Weil ich die ganzen Impfbefürworter widerlegen wollte, und zwar mit handfesten wissenschaftlichen Fakten.

Ich bin gescheitert. Glücklicherweise.

Heute setze ich mich für Impfungen ein und versuche, Menschen, die sich gegen sie aussprechen, aufzuklären.

Per se zu sagen, dass alle Menschen, die gegen Impfungen sind, eine ideologische Haltung vertreten, finde ich nicht richtig. Natürlich gibt es diejenigen, die kruden Verschwörungstheorien anhängen, glauben, dass die Pharmaindustrie uns bewusst schaden oder Impfungen als Kontrollinstrumente einsetzen will.

Viele Menschen sind nicht ausreichend über das Impfen informiert

Oftmals sind die Leute allerdings einfach nicht genügend oder falsch informiert. So war es bei mir: Ich bin in einem anderen Bewusstsein aufgewachsen, das sich stark an einer Nähe zur Natur orientierte. Da passten Impfungen einfach nicht rein.

Zudem waren Impfungen vor Jahrzehnten tatsächlich noch stärker: Es wurden häufiger Lebendimpfstoffe verwendet im Gegensatz zu heute – die waren oftmals weniger verträglich.

Das wurde mir vor allem bewusst, als ich selbst anfing, zu dem Thema in der Bibliothek zu recherchieren. Ich suchte nach Studien, die belegen, dass Impfungen schädlich seien. Informierte mich über die verschiedenen Stoffe und mögliche Nebenwirkungen. Las einen Aufsatz, ein Buch nach dem anderen. Und muss am Ende meine eigenen Thesen widerlegen:

Es gibt keine wissenschaftlichen Grundlagen, die belegen, dass Impfungen grundsätzlich schädlich seien. Punkt. Das ist ein Fakt, an dem gibt es wenig herumzuinterpretieren. Das musste schließlich auch ich einsehen, die vorher noch so leidenschaftlich gegen Impfungen plädiert hatte.

  • Nein, Impfungen lösen keinen Plötzlichen Kindstod (SIDS) aus – das war damals meine größte Angst.
  • Nein, Impfungen stehen auch nicht in Verbindung mit Autismus.
  • Nein, Impfungen lösen keine Allergien, Diabetes, Lernschwächen oder sonstiges aus.
  • Ja, ein gesunder Körper, auch ein Kinderkörper, verträgt Impfungen meist problemlos.

Impfungen sind kein Zuckerschlecken, aber...

Nach wie vor sind Impfungen natürlich keine Smarties. Es gibt Kinder, die sie nicht vertragen oder für die sie sogar gefährlich werden können – wenn deren Immunsystem durch eine starke vorübergehende oder chronische Krankheit geschwächt ist zum Beispiel. Oder aufgrund eines genetischen Defekts, der zu einer Unterverträglichkeit mancher Impfstoffe führen kann – was allerdings nur sehr, sehr selten vorkommt.

Gerade unerkannte Stoffwechselerkrankungen können so getriggert werden. Es gibt viele Kinder, die aufgrund ihrer Prädisposition durch die Eltern (zum Beispiel Muskeldystrophie, einer erblich bedingten Muskelerkrankung) nicht geimpft werden dürfen.

Umso wichtiger ist es dann, diejenigen Kinder impfen zu lassen, die tatsächlich geimpft werden können – um die gesundheitlich schwächeren zu schützen.

Um auf das Thema Impfschutz aufmerksam zu machen, braucht es verstärkt Aufklärung. Ich erinnere mich, dass zu meiner Schulzeit im Unterricht zum Beispiel niemals über Impfungen gesprochen wurde – dabei war ich auf einem naturwissenschaftlich geprägten Gymnasium.

Früher konnte man "alternative Fakten" noch nicht ergoogeln

Das große Problem nicht nur beim Impfen, sondern bei jeglichem kontrovers diskutierten Thema ist, dass die Anzahl der Quellen vor allem durch das Internet explodiert ist: Für jede noch so verquere Meinung, die man haben kann, scheint man Seiten zu finden, die sie bestätigen.

Beim Thema Impfen sind das zum Beispiel Quellen, die über den Zusammenhang von Impfungen und Plötzlichem Kindstod "informieren". Oder darüber, dass in Impfungen schädliches Quecksilber enthalten sei.

Tatsächlich ist in einigen Impfstoffen zum Beispiel Formaldehyd enthalten, allerdings in sehr geringen Dosen. So findet man in in einer gewöhnlichen Birne eine zigfach höhere Menge.

Früher konnte man solche "alternativen Fakten" noch nicht ergoogeln – heute allerdings kann man sehr bequem eine scheinbar wissenschaftlich fundierte Bestätigung seiner Meinung bekommen, ohne seine eigene Blase zu verlassen. Das hat im Zusammenhang mit Impfgegnern verheerende Folgen:

In Deutschland zum Beispiel wurden schon bis Mitte März mehr Maserfälle verzeichnet als im Jahr 2018 insgesamt. In den USA erreichen die Maserinfektionen den höchsten Stand seit 1992 – mit etwa 1.000 infizierten Menschen, darunter vor allem Kinder von Impfgegnern.

Eine Impfpflicht wäre sinnvoll, nicht abschreckend

Um diese erschreckende Entwicklung zu stoppen, müssen wir meiner Ansicht nach eines tun: Uns mehr informieren, und zwar über verlässliche Quellen. Geht wieder in Bibliotheken. Besorgt euch Bücher zu den Themen, über die ihr euch unsicher seid.

Es gibt auch sehr gute Youtube-Kanäle von Wissenschaftlern, wie zum Beispiel "maiLab", die mit seriösen Quellen arbeitet.

Egal welches Medium ihr nutzt: Prüft in jedem Fall eure Quellen, ob sie verlässlich sind. Klickt auch mal verlinkte Quellen an – so habe ich damals auch angefangen. Und stellt Fragen, wenn ihr euch unsicher seid.

Um den Menschen mehr Verlässlichkeit zu bieten, finde ich es wichtig, eine Impfpflicht einzuführen. Wenn die Politik die Haltung vertritt, dass Impfen notwendig ist, nimmt das vielen Menschen, die unsicher sind, die Entscheidung ab. Gerade Unentschlossene können von so einer Pflicht profitieren.

Übrigens: Auch die Anschnallpflicht war in den 70er Jahren noch undenkbar – und dennoch hat sie sich durchgesetzt und wird heute als sinnvoll erachtet.

Dass man Eltern mit einer Impfpflicht abschrecken würde, halte ich für nicht richtig. Natürlich wird es Menschen geben, die sich wehren und einem verpflichtenden Impfschutz entziehen werden. Wer ideologisch überzeugter Impfgegner ist, den wird man sehr wahrscheinlich nicht überreden können. Umso wichtiger ist es dann, alle anderen zu impfen.

Protokoll: Agatha Kremplewski

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