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Was wir vom Jahr 2020 fürs Leben lernen können

NEW YORK, NEW YORK - DECEMBER 21: The "2021" numbers that will replace the "2020" on the top of the One Times Square building cast a shadow in Times Square on December 21, 2020 in  ...
Was können wir ins Jahr 2021 mitnehmen?.Bild: Getty Images North America / Alexi Rosenfeld
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Was wir vom Jahr 2020 fürs Leben lernen können

01.01.2021, 16:1806.01.2021, 23:41
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2020 war anstrengend, es ist so viel passiert: Die Corona-Pandemie sorgte für zehntausende Tote in Deutschland. Selbsternannte Querdenker zogen zusammen mit Rechtsextremen durch die Straßen, darum kämpfend, ihre haltlosen, längst widerlegten Thesen durchzusetzen. Masken verweigerten sie, Schutzmaßnahmen wegen des Virus ebenso. Sie stürmten den Reichstag (naja, seine Treppe) und inszenierten sich auf augenscheinlich epochalen Bildern, die sie stolz an einem beliebten Touri-Spot knipsten.

Es geht noch weiter

Zwei Lockdowns veränderten das Leben vieler Menschen. Kleine Einzelhändler gingen Pleite, Amazon profitierte deutlich mehr als ohnehin schon. Kunstschaffende mussten lernen, was brotlos wirklich bedeutet. Kultusminister fochten wegen der Corona-Maßnahmen für Schulen mit der Bundesregierung einen Pinkelwettbewerb sondergleichen aus. Schülerinnen und Schüler durften nicht mitreden, mussten sich dafür anhören, sie würden in der Krise verantwortungslos handeln.

Und so übel 2020 auch war, wir können jede Menge daraus lernen, etwa, wie anpassungsfähig wir Menschen doch sein können. Es dauerte nicht lang, da stimmte der Großteil sein Leben auf die Pandemie-Umstände ab. Masken wurden Alltagskleidung, Handschläge abgeschafft, Hände dafür regelmäßig desinfiziert und (richtig!) gewaschen.

Und wir können so viel mehr mitnehmen, auch für die Zeit nach der Pandemie. Beleuchtete sie doch Punkte, die zwar da, aber nicht – oder nur bedingt – präsent waren.

Die Populisten bieten keine Lösungen

Seit Beginn der Krise zeichnet sich ein eindeutiges Bild ab: Populisten sind mit dem Virus überfordert – ob in den USA, Brasilien oder auch Großbritannien. Donald Trump, Jair Bolsonaro und Boris Johnson spielten das Virus zunächst runter (ist ja nur eine Grippe), reagierten viel zu spät und bewarben Medikamente, deren Nutzen gegen Corona nie bestätigt wurde, wie zum Beispiel das Malaria-Vorbeugemittel Hydroxychloroquin. Ein flapsiges "Desinfektionsmittel trinken hilft" vonseiten des amtierenden US-Präsidenten ging gar eine Stufe weiter. Trump verkaufte es im Nachhinein als Scherz. Den Humor der Zehntausenden, die infolge einer Covid-Erkrankung starben, sowie deren Verbliebenen dürfte das nicht getroffen haben.

Gefühlte Wahrheiten, Fake News oder auch Verschwörungsglauben stoßen fundierte Argumente an die Seite und treten in Krisenzeiten ins Rampenlicht. Das wird auch hierzulande deutlich. Hier, wo AfD-Politiker zusammen mit Querdenkern und Rechtsradikalen losziehen, um gegen Corona-Maßnahmen zu demonstrieren. Unter ihnen: Trump-Sympathisanten und Drosten-Gegner. Statt auf Menschen zu hören, die viel wissen, gehorchen sie lieber den lautesten.

Ein Blick auf die Zahlen sollte reichen, um zu zeigen, wer recht behält: In den USA wütete das Virus lange unberührt, 300.000 Menschen sind dort bereits aufgrund einer Covid-19-Infektion verstorben. In Brasilien sind es knapp 200.000, in Großbritannien fast 70.000, in Russland über 50.000.

Was wir mitnehmen können

Irgendwo ist es verständlich, sich in einer komplexen Situation nach einfachen Antworten zu sehnen. Populisten brüllen sie in die Welt, nehmen dadurch vielleicht Ängste. Die Gefahr aber bleibt erhalten. Dem Virus ist egal, was man über es erzählt. Es befällt Menschen und vermehrt sich. Auch eine einfache, dafür entmutigende Aussage.

Mut machen hingegen Fakten zum Impfstoff, etwa von Biontech. Er wurde eingehend geprüft, verspricht eine hohe Wirksamkeit von 95 Prozent. Auch ein Drosten, der zum mutierten Coronavirus entwarnende Aussagen von sich gibt, etwa dass es nicht gefährlicher sein muss, hilft. Der Ton solcher Fakten ist vielleicht weniger laut, weniger überspitzt, weshalb wir genauer hinhören müssen, aber die Mühe lohnt sich, nicht nur für diese Krise, sondern auch für künftige.

Die Umwelt erholt sich schnell

Die Pandemie zwang uns zu verzichten. Wir hielten uns voneinander fern, stornierten Urlaube, blieben zu Hause. Das verließen wir nur für das Nötigste, sei es um Einkäufe zu erledigen oder, sofern nicht anders möglich, zur Arbeit zu gehen. Auf den Straßen herrschte postapokalyptische Stimmung. Während die Menschen mit sozialer Isolation gegen das Virus kämpften, erholte sich aber der Planet: von den Abgasen, die Autos und Fabriken täglich in die Luft husten; von den Müllbergen, die Touristen weltweit auftürmen; von Treibhausemissionen, die Lang- und Kurzstreckenflüge erzeugen.

Wie sehr sich die Erde erholen kann, zeigen Bilder der US-Raumfahrtbehörde Nasa sowie der Europäischen Raumfahrtorganisation ESA. Als die chinesische Regierung Ende Januar Wuhans Bevölkerung unter Quarantäne stellte, Transporte in und aus der Großstadt untersagte und ganze Betriebe stilllegte, verbesserte sich die Luftqualität vor Ort. Die Stickstoffdioxidkonzentration in der Luft etwa sank stark.

Zur Erinnerung: Das Gas wird von Millionen Kraftfahrzeugen sowie Industrienanlagen ausgestoßen, lässt jedes Jahr Millionen Menschen beispielsweise an Lungenentzündungen erkranken, viele davon tötet es sogar.

Auch die CO2-Emissionen in China nahmen ab, um ein Viertel wie Umweltanalysten für die Klimawandel-Website Carbon Brief schrieben. Umgerechnet wären das gut 200 Megatonnen CO2. Ähnliche Effekte gab es auch anderorts, wo Corona-Beschränkungen griffen, etwa in Norditalien. Dass der weltweite Luftverkehr stark zurückging, dürfte ebenso für weniger Treibhausgase gesorgt haben.

Was wir mitnehmen können

Natürlich werden wir nicht auf ewig in Isolation leben, zudem müssen viele Fabriken ihren Betrieb wieder aufnehmen. Als Weckruf könnte man Bilder wie die der Nasa und ESA trotzdem bezeichnen. Selten bekamen wir gezeigt, wie viel umwelt- und gesundheitsschädliche Gase wir in die Atmosphäre pusten. Dass Touri-Ecken wie Mallorca nach dem ersten Lockdown ebenfalls deutlich sauberer waren, sollte uns zu denken geben. Nicht zu vergessen die Fleischindustrie, die sich aufgrund menschenunwürdiger Bedingungen – Gastarbeiter leben zusammengepfercht in kleinen Baracken – in vielen Ecken als Corona-Hotspot outete.

Nun lernten wir aber, dass wir auch gut ohne den alljährlichen Urlaub, ohne ständiges Hin und Her mit dem Auto, ohne Geschäftsflüge von Berlin nach Düsseldorf leben können. Auch müssen wir nicht auf Billigfleisch aus dem Kühlregal bestehen, um eine Industrie zu fördern, die in Sachen Tierschutz und Arbeitsrecht scheinbar im 20. Jahrhundert dümpelt. Der Umwelt und unseren Mitmenschen zuliebe wäre das doch was.

Die Schulen brauchen Hilfe

Anfang des Jahres mussten deutschlandweit Schulen schließen. Homeschooling sollte als Krücke durch den Lockdown helfen. Vielerorts war sie leider zu marode. Bereits am ersten Tag brach sie und viele Schülerinnen und Schüler blieben auf der Strecke.

Beginnend bei der mangelnden Ausstattung an vielen Schulen (wenig Computer, keine Tablets fürs Homeschooling), was gerade Schülern in finanziell schwächeren Verhältnissen den Heimunterricht erschwerte. Eine Studie der Bertelsmann Stiftung zeigte: Jedes vierte Kind in Armut hat keinen Computer oder kein Internet, jedem siebten fehlt indes ein ruhiger Ort zum Lernen zu Hause. Für sie bestand kaum die Möglichkeit, den Unterricht im Lockdown zu folgen.

Einige Lehrerinnen und Lehrer scheiterten wiederum an ihrer digitalen Kompetenz, mussten ihre Schüler fragen, wie sie eine Videokonferenz starten. Nicht gerade vertrauenerweckend. Es möchte doch auch kein Patient seinem Chirurgen erklären müssen, wie man ein Skalpell richtig hält.

Was wir mitnehmen können

Ja, Missstände sind ärgerlich, die im Bildungssystem aber überwindbar. Es braucht nun Hilfe. Bund und Länder könnten etwa digitales Equipment finanzieren. Schulen ihre Lehrerinnen und Lehrer zu Fortbildungen schicken, damit sie zumindest annähernd auf Stand in Sachen Technik sind. Hier könnten auch Hochschulen und Staat mitwirken.

Mehr Austausch zwischen den Bundesländern dürfte ebenfalls seinen Teil beitragen. Wer weiter ist, kann wiederum andere auf sein Level hieven. Schwächen werden im Vergleich deutlicher, die Reflexion wiederum ehrlicher. Dass das möglich ist, zeigt etwa das Deutsche Zentrum für Lehrerbildung Mathematik, ein länderübergreifendes Fortbildungszentrum, das Lehrkräfte unterstützt. Corona hat die Lücken im Bildungssystem gezeigt – wird Zeit, sie zu schließen.

2021 – wenden wir das Wissen doch mal an

Theoretisch könnte es noch weitergehen. Kinos und Kulturstätten könnten wir während sowie nach der Pandemie stärker unterstützen. Häufig haben sie nicht einmal einen Gürtel, den sie wie andere enger schnallen können. Viele stehen entsprechend seit Beginn der Pandemie mit runtergelassenen Hosen da.

Ähnlich verhält es sich mit Einzelhändlern, beispielsweise Spielwarengeschäften, Computerläden oder Buchhandlungen. Was für die Kinos die Streamingdienste sind, ist für sie Amazon. Vielleicht sollten wir gelegentlich auch bei den kleineren Läden abseits der großen Ketten vorbeischauen, geht oftmals auch online.

Die entstaubte Solidarität, das gegenseitige Helfen, können wir hingegen beibehalten. Viele Menschen bemühten sich, eine verletzliche Minderheit zu schützen: Kranke und Alte. Nachbarschaftshilfen, Spenden und auch das Einhalten der AHA-Regeln halfen ihnen durch die schwere Zeit. Durch die Pandemie rückten die Menschen in unser Bewusstsein. Wäre doch schön, wenn es so bleibt.

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Zum 1. April wird der Konsum und Anbau von Cannabis in Deutschland straffrei. Die Bundesregierung hat damit eines ihrer zentralen Wahlversprechen eingelöst. Erwachsene dürfen künftig bis zu drei eigene Hanfpflanzen selbst anbauen und außerdem Cannabis-Social-Clubs beitreten, über die sie Gras beziehen können.

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