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Warum der Astrazeneca-Impfstopp für Jüngere Vertrauen schaffen sollte

Viele zweifeln am Krisenmanagement der Regierung – dabei ist Vertrauen nun genau das, was wir brauchen. (Symbolbild)
Viele zweifeln am Krisenmanagement der Regierung – dabei ist Vertrauen nun genau das, was wir brauchen. (Symbolbild)Bild: iStockphoto / o_nozdracheva
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Der Astrazeneca-Impfstopp für Jüngere wirkt verwirrend – sollte aber Vertrauen in die Institutionen schaffen

31.03.2021, 19:1001.04.2021, 15:50
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Bei der Organisation der Impfkampagne in Deutschland scheint die Bundesregierung mit Schwung das Fettnäpfchen zu überspringen – nur, um dann beherzt gleich in die Fritteuse zu treten: Besonders beim Impfstoff des britisch-schwedischen Herstellers Astrazeneca ging es hin und her. Erst hieß es, das Vakzin dürfen nur die Unter-65-Jährigen bekommen. Jetzt heißt es, nur Menschen über 60. und zwischenzeitlich durfte gar niemand mit Astrazeneca geimpft werden.

Wer wird sich angesichts dieses Vorpreschens und Rückziehens nicht irgendwann fragen: Ja, was denn nun?

Wütende Kommentare liest man nun in den sozialen Medien und Kommentarspalten der Medien. Wütend sind diejenigen, die einen festen Kurs im Krisenmanagement der Regierung erwarten, anstatt ein ständiges Gucken, Warten, Probieren, Zurücknehmen. Wütend sind aber wahrscheinlich auch diejenigen, deren erster oder zweiter Impftermin mit Astrazeneca abgesagt wurde.

Das Vertrauen in Regierung und Experten schwindet

Das Vertrauen scheint auf jeglichen Ebenen zu verloren zu gehen – in die Regierenden, die Organisation, den Corona-Impfstoff selbst. Dabei könnte das Hin und Her der Institutionen eigentlich genau das schaffen: Vertrauen.

Dass genau das momentan allerdings nicht passiert, sieht auch der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission (Stiko), Thomas Mertens: "Es kann sein, dass dadurch Vertrauen schwindet", sagt er am Mittwoch gegenüber den Zeitungen der "Funke Mediengruppe". Mertens betont aber auch, dass die jüngsten Ereignisse zeigen, dass das Paul-Ehrlich-Institut seiner Kontrollfunktion nachgehe:

"Sie haben mehr als 30 besorgniserregende Fälle registriert, es wurde intensiv geprüft und Alarm geschlagen und jetzt reagiert man darauf. Das sollte eigentlich vertrauensbildend sein."

Eigentlich. Dennoch scheint die Masse nicht mehr viel auf die Worte der zuständigen Institutionen oder der Regierung zu geben. Zumindest nicht mehr so viel wie zu Beginn der Pandemie.

Vorwerfen kann man das Misstrauen nun niemandem. Wem kann man es verübeln, nach einem Jahr Lockdown-Auf-und-Ab missmutig zu sein. Verunsichert zu reagieren, wenn eine ermattete Bundeskanzlerin erst den harten Oster-Lockdown ausruft – nur, um ihn kurze Zeit später unter Entschuldigungen zurückzunehmen. Ins Zweifeln zu kommen, wenn das scheinbar einzige Mittel, um diese Lage zu beenden, in den eigenen Körper injiziert werden muss und möglicherweise den Tod als Nebenwirkung hat – wenn auch nur in sehr seltenen Fällen.

Das Hin und Her zeigt: Die Institutionen machen ihren Job

Dennoch sollte nicht aus dem Blick geraten: Dass es diese gefühlte Unentschlossenheit, dieses Hin und Her, dieses ständige Umdenken und Umentscheiden gibt, liegt daran, dass Experten sich tiefgehend und immer wieder neu mit der Lage auseinandersetzen. Weil sie ihren Job tun. Und weil ihnen etwas daran liegt, ihren Job richtig zu tun – und sich folglich auch trauen, bereits Beschlossenes wieder zurückzunehmen.

Das zeigt das Beispiel Astrazeneca besonders treffend:

Es war richtig, den Impfstoff vorerst nur für Unter-65-Jährige einzusetzen, anstatt auf gut Glück alle Altersgruppen damit zu impfen, trotz mangelnder Daten.

Es war auch richtig, die Impfungen zwischenzeitlich komplett auszusetzen und die Empfehlung für das Mittel zu überprüfen, anstatt die Fälle von Thrombosen zu ignorieren und weiterzuspritzen.

Es war richtig, die Impfungen nach eingehender Prüfung von Experten fortzuführen, und richtig, sie für Menschen unter 60 wieder auszusetzen, nachdem sich weitere, teilweise tödliche Fälle, mehrten.

Nun könnte man natürlich auch sagen, dass die Vakzine, besonders Astrazeneca, nicht so schnell auf den Markt hätten kommen dürfen und im Vorhinein eindringlicher geprüft werden müssten. Aber zu welchem Preis? Dass möglicherweise tausende Menschen, wenn nicht mehr, schwer oder gar tödlich an Covid-19 erkranken, während wir auf den perfekten Impfstoff warten?

Jetzt Vertrauen zu schaffen, ist schwer – und deswegen umso wichtiger

Eine globale Pandemie mag ein schwieriger Zeitpunkt sein, um das Vertrauen der Bevölkerung zu werben. Herrschen doch zu viele unsichere Faktoren vor: Wir haben es mit einem neuartigen und mittlerweile mutierten Virus zu tun, das wir versuchen, mit einem so schnell wie niemals zuvor entwickelten Impfstoff in den Griff zu kriegen.

Umso wichtiger ist es, Risikofaktoren ständig, im Zweifelsfall täglich, gegeneinander abzuwiegen. Das mag zunächst verwirrend oder gar unstet wirken. Oder aber wie ein Zeichen von Flexibilität in einer globalen Lage, die einer eigenen, teils unberechenbaren Dynamik unterliegt.

Es mag auch zynisch wirken, wenn Gesundheitsminister Jens Spahn sagt:

"Impfen ist fast immer die bessere Entscheidung."

Denn "fast" hat einigen Menschen möglicherweise das Leben gekostet.

Umso wichtiger ist es deswegen, das Vertrauen in die Experten nun nicht zu verlieren und ihnen nicht die Verantwortung für etwas in die Hände zu legen, was nur bis zu einem gewissen Grad verantwortbar ist. Niemand trägt Schuld an dieser Pandemie. Niemand und nichts kann sie allein lösen, vor allem nicht von heute auf morgen.

Wir müssen leider noch eine Menge Geduld und Strapazierfähigkeit beweisen, bis Corona vorbei ist. Zum Glück stehen wir in dieser Lage nicht allein da, sondern haben Experten an unserer Seite, die im Zweifelsfall auch innerhalb weniger Stunden Alarm schlagen – und uns möglicherweise vor noch größerem Übel bewahren.

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