Leben
Meinung

Harvey Weinstein: 23 Jahre Haft! Warum die Verurteilung kein Sieg für MeToo ist

Weinstein geht als gebrochener Mann aus dem Prozess.
Weinstein geht als gebrochener Mann aus dem Prozess. Bild: imago images / ZUMA Press / imago images / ZUMA Press
Meinung

23 Jahre Haft für Weinstein: Warum die Verurteilung dennoch kein Sieg für #MeToo ist

11.03.2020, 17:0111.03.2020, 17:18
Mehr «Leben»

Am Mittwoch wurde das Strafmaß zu Harvey Weinstein verkündet: Schon vor Wochen wurde der Filmproduzent wegen Vergewaltigung und sexueller Nötigung verurteilt. Nun muss Weinstein für 23 Jahre ins Gefängnis.

Der Weinstein-Prozess gilt als Meilenstein für die #MeToo-Bewegung, die durch ihn ausgelöst wurde: Nachdem sich seit 2017 über 80 Frauen zu Wort gemeldet haben, an denen sich Weinstein sexuell vergangen haben soll, haben zahlreiche Frauen und vereinzelt auch Männer über ihre Erlebnisse mit sexueller Belästigung und Gewalt berichtet. Und obwohl so viele Betroffene sexueller Gewalt dank #MeToo ihre Stimmen erhoben haben, obwohl die Bewegung solche Wellen geschlagen hat, scheint in den US-amerikanischen Gerichtssälen kaum mehr als ein Plätschern, vielleicht sogar nur ein mildes Rauschen, angekommen zu sein.

Es wurde der Einzeltäter, nicht das Raubtier Weinstein verurteilt

In einem beispiellosen Prozess wurden lediglich zwei der über 80 Fälle sexueller Belästigung, Nötigung oder Vergewaltigung, die Weinstein zur Last gelegt werden, behandelt. Den beiden Frauen, Mimi Haleyi und Jessica Mann, wurde von Weinsteins Verteidigern vorgeworfen, dessen Einfluss in Hollywood und dessen Reichtum ausgenutzt zu haben. Es wurde das Märchen weitergesponnen von der machthungrigen Frau, die ihre weiblichen Reize gezielt gegen die wehrlose Männerwelt einsetzt, um sie so zu erobern.

Ja – am Ende kam es zu einer Verurteilung. Das Strafmaß fällt mit 23 Jahren auch überraschend höher aus, als manch einer angenommen hätte. Gerade in Anbetracht von Weinsteins bedenklichem Gesundheitszustand wurde gemutmaßt, dass eine Gefängnisstrafe eher niedrig ausfallen würde. Für den bereits 67-jährigen kommt die Verkündung einer lebenslänglichen Haft nahe.

Dennoch: Verurteilt wurde ein Mann, der eine Frau vergewaltigt, eine andere sexuell genötigt hat. Verurteilt wurde aber nicht der Mann, der über 80 Frauen sexuell belästigt oder missbraucht hat. Es wurde nicht das Raubtier verurteilt, das für eine ausbeuterische Struktur steht: das System Hollywood. Dieses haben auch die Ankläger in Harvey Weinstein gesehen.

Weinstein ist der prominenteste Fall, aber nicht der einzige

So bedeutsam der Fall auch ist: Weinstein, obwohl so viele Frauen von seinen Taten betroffen sein sollen, ist am Ende nur ein Symptom eines krankenden Systems. Ohne Weinstein in Schutz nehmen zu wollen: Es sind Hollywood und die Unterhaltungsbranche, die solche Menschen wie Weinstein hervorbringen. Menschen, die Strukturen ausnutzen, in denen Frauen systematisch benachteiligt werden. Die Mechanismen dieses Systems: Solche Menschen walten lassen. Deren Opfer beschuldigen. Die Täter meist nicht – viel zu milde – bestrafen.

Und das Spiel wiederholt sich. Weinstein ist vielleicht der aktuell bekannteste und am meisten besprochene, aber bei weitem nicht der einzige Fall:

  • Schauspieler Bill Cosby wurde von mehr als 60 Frauen sexuelle Übergriffe jeglicher Art vorgeworfen. Verurteilt wurde er 2018 wegen eines Falls von sexueller Nötigung. Dafür muss er eine Strafe von höchstens zehn Jahren absitzen.
  • Seit Anfang der 90er Jahre wurde Regisseur Woody Allen vorgeworfen, sich an seiner Adoptivtochter Dylan Farrow vergangen zu haben. Allen hat die Vorwürfe stets zurückgewiesen, zum Prozess ist es niemals gekommen.
  • Regisseur Roman Polański hat zugegeben, im Jahr 1977 Sex mit der damals 13-jährigen Samantha Geimer gehabt zu haben. Ein Jahr später hat er die USA verlassen und ist seitdem nicht mehr zurückgekehrt, weil ihm nach wie vor ein Prozess wegen Vergewaltigung einer Minderjährigen droht. Weiterhin behauptet eine französische Fotografin, 1975, damals 18-jährig, von Polański geschlagen und vergewaltigt worden zu sein. Diesen Vorwurf weist Polański zurück. Die Oscar-Akademie schloss Polański, der 2003 einen Oscar gewonnen hatte, wegen "sexuellen Fehlverhaltens" im Zuge der #MeToo-Debatte 2018 aus. Verurteilt wurde er bis heute nicht.

Weinsteins Taten in ihrer Gesamtheit zu verurteilen wäre ein Durchbruch gewesen

Die Liste ist lang – jeden einzelnen Fall hier aufzuzählen, wäre unmöglich. Am Ende geht es auch nicht darum, jeden einzelnen Täter zu nennen. Weinstein, Cosby, Allen oder Polański allein für dieses krankende System verantwortlich zu machen, wird das Problem nicht lösen.

Sie allerdings als entscheidenden Teil anzuerkennen und entsprechende juristische Konsequenzen zu ziehen, die ihr gesamtes Verhalten verurteilen, nicht nur einzelne Taten: das wäre ein wahrer Durchbruch gewesen.

Ist Weinsteins Verurteilung nun ein Sieg für die #MeToo-Bewegung? Für Frauen allgemein? Bedingt. Es ist allerdings dennoch ein Schritt in die richtige Richtung, weil zumindest ein Täter identifiziert und verhältnismäßig hoch bestraft wurde – wenn auch nicht für die geforderten Gründe.

Neuerung beim Personalausweis: Beantragung soll einfacher werden

Vielen Menschen graut es, wenn sie auf ihren Personalausweis schauen und sehen, dass das Ablaufdatum bald erreicht ist. Denn dann steht die Beantragung eines neuen Ausweispapiers an – und ein nerviger Akt droht. Man muss nicht nur in der Regel 37 Euro bezahlen, viel schlimmer ist oft der organisatorische Aufwand.

Zur Story