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Abiturienten über Abi-Prüfungen im Corona-Jahr: "Einfach hinter uns bringen"

2021 müssen Schüler wieder unter Corona-Bedingungen Abi machen. (Symbolbild)
2021 müssen Schüler wieder unter Corona-Bedingungen Abi machen. (Symbolbild)Bild: iStockphoto / finwal
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"Wir haben es uns nicht ausgesucht, in der Pandemie Abitur zu machen": Schüler berichten über ihr Corona-Abi

11.05.2021, 09:58
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Prüfungen schreiben mit Maske, Abstand und vielleicht sogar offenem Fenster: Das zweite Jahr in Folge schon müssen Schüler unter Pandemie-Bedingungen die Abiturprüfungen absolvieren.

Beim Abitur 2020 hatte es trotz Corona letztlich kaum Unregelmäßigkeiten gegeben. Das hat eine Anfrage von watson in allen Bundesländern vergangenen Sommer ergeben. Trotzdem stellt die Pandemie eine zusätzliche Belastung für Schülerinnen und Schüler dar – und das, während sie die erste, große Prüfung ihres Lebens absolvieren müssen.

Watson hat mit sieben Abiturienten gesprochen und gefragt, wie sie die aktuelle Lage wahrnehmen und ob sie befürchten, wegen der Corona-Krise Nachteile gegenüber anderen Abi-Jahrgängen zu erfahren.

"Wir wollen einfach nur, dass unser Abschluss anerkannt wird"

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Joanna Kesicka, 19, ist Landesvorsitzende des LSR Sachsen. Sie macht ihr Abitur am Geschwister-Scholl-Gymnasium in Löbau.

"Wir haben es uns nicht ausgesucht, in der Pandemie Abitur zu machen. Deswegen und weil auch der digitale Fernunterricht für viele von uns problematisch ablief, braucht es Nachteilsausgleiche und strenge Hygienemaßnahmen bei den Prüfungen.

"Viele werden ohnehin Zweifel haben, wie gut dieser Jahrgang ist, genau deswegen wäre ein Durchschnittsabitur ein zusätzlicher Makel, den wir nicht sehen wollen."

Wir wollen einfach nur, dass unser Abschluss anerkannt wird. Viele werden ohnehin Zweifel haben, wie gut dieser Jahrgang ist, genau deswegen wäre ein Durchschnittsabitur ein zusätzlicher Makel, den wir nicht sehen wollen."

"Ich denke nicht, dass wir durch Corona schlechtere Noten bekommen"

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David Jung, 19, wohnt in Salem und geht in Überlingen am Bodensee in die Abschlussklasse eines Wirtschaftsgymnasiums. Er ist der Vorsitzende des Landesschülerbeirats Baden-Württemberg.

"Die Abi-Vorbereitung kann nicht so funktionieren wie gewohnt. Aber im Endeffekt, wie in allen Jahrgängen zuvor, sind die Leute gut bis sehr gut, die sich intensiv in Eigenregie vorbereitet haben. Die Bestimmungen speziell in Baden-Württemberg haben wir unterstützt, denn dort wurden einige Lehrplaneinheiten gestrichen und die Bearbeitungszeit verlängert.

"Als unfair würde ich die Voraussetzung nicht bezeichnen, eher als erschwert."

Die Abiturprüfungen in Baden-Württemberg wurden bereits um einen Monat verschoben und ein Durchschnittsabitur lehnen wir als Landesschülerbeirat tatsächlich entschieden ab. Als unfair würde ich die Voraussetzung nicht bezeichnen, eher als erschwert und ich denke nicht, dass wir durch Corona schlechtere Noten bekommen. Mir sind ehrlich gesagt keine 50 Fälle von guten Schülerinnen und Schülern in Baden-Württemberg bekannt, die das Abitur wegen Corona notentechisch nicht bestehen werden, denn wie oben bereits geschrieben hängt das Bestehen zu einem großen Anteil auch vom eigenen Lernaufwand ab."

"Ich sorge mich vor allem um Einzelschicksale unter meinen Mitschülerinnen und Mitschülern"

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Emil Rugenstein, 18, ist Mitglied im Vorstand des Landesschülerrats. Er wohnt in der Nähe von Rostock.

"Das Abitur als Höhepunkt unserer schulischen Ausbildung ist für meine Mitschülerinnen sowie Mitschüler und mich selbstverständlich mit einem entsprechendem Druck verbunden. Die momentanen Bedingungen verstärken diesen Druck auf vielfältige Art und Weise. Dennoch fühle ich mich durch meine Lehrerinnen und Lehrer gut auf die Prüfungen vorbereitet und konnte meine erste auch schon mit einem guten Gefühl ablegen.

"Wir Schüler wollen unsere Prüfungen nun einfach hinter uns bringen."

Da wir in Mecklenburg-Vorpommern gerade mitten in der Prüfungsphase sind, bin ich gegen ein Durchschnittsabitur – wir Schüler wollen unsere Prüfungen nun einfach hinter uns bringen. Auch wenn die Maskenpflicht, die Lernbedingungen und der psychische Druck für alle erschwerte Umstände darstellen, sorge ich mich vor allem um Einzelschicksale unter meinen Mitschülerinnen und Mitschülern. All die Schülerinnen und Schüler, die seit über einem Jahr aus gesundheitlichen Gründen keinen Präsenzunterricht bekommen haben, keine ausreichende technische Ausstattung für den Distanzunterricht hatten, sich vormittags um ihre Geschwister zu Hause kümmern oder alle Prüfungen nachschreiben müssen, weil sie zur Prüfungszeit unter Quarantäne stehen – um nur einige Beispiele zu nennen..."

"Ein kleines Stück der Normalität und Chancengleichheit"

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Pia Vollmann, 18, aus Rendsburg macht ihr Abitur am Helene-Lange-Gymnasium.

"Obgleich das Abitur und die Vorbereitung darauf für unseren Jahrgang etwas anders ablief als sonst, bin ich grundsätzlich zufrieden. Lehrerinnen und Lehrer sowie Schülerinnen und Schüler waren beiderseits bemüht, sich auf das Abitur vorzubereiten und einander zu helfen.

"Die Prüfungen mussten – Gott sei Dank – weder verschoben noch abgesagt werden."

Dabei war ich aber auch glücklicherweise jemand, der elektronische Kapazitäten und einen Rückzugsort zum Lernen hatte. Unfaire Notengebung habe ich nicht erfahren können. Die Prüfungen mussten – Gott sei Dank – weder verschoben noch abgesagt werden, was uns Abiturientinnen und Abiturienten ein kleines Stück der Normalität und Chancengleichheit gegeben hat – etwas, was wir in diesen schwierigen Zeiten unbedingt brauchen."

"Die Schülerschaft ist unverschuldet in diese Situation geraten"

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Tobias Fritz, 22, ist Landesschülersprecher der Fach- und Berufsoberschulen sowie der Pressesprecher des Landesschülerrates in Bayern. Momentan besucht er die 13. Klasse der Fach- und Berufsoberschule in Bad Neustadt an der Saale und schreibt im Juni sein allgemeines Abitur.

"Die Abiturvorbereitungen gestalten sich schwierig, momentan haben nur wenig Schülerinnen und Schüler das Glück, vollständig im Präsenzunterricht sein zu dürfen. Der Großteil der Schülerinnen und Schüler befindet sich im Wechselunterricht, doch diese Unterrichtsform bietet nicht annähernd die Vorbereitungsqualitäten des normalen Unterrichts. Im Vorfeld des Abiturs wurden einige Themengebiete gekürzt, ob das allerdings reicht, bleibt abzuwarten.

Ich hoffe, dass sich die Entscheidungsträger im Kultusministerium bewusst sind, welche Verantwortung sie für die Abiturientinnen und Abiturienten in Bayern haben und dass die Prüfungen dementsprechend fair gestaltet sind. Die Schülerschaft ist unverschuldet in diese Situation geraten, nun gilt es, die Voraussetzungen anzupassen, damit den Abiturientinnen und Abiturienten kein Nachteil entsteht!

"Dass die Noten wegen Corona schlechter sein werden, davon gehe ich aus."

Ich persönlich bin weder für ein Verschieben der Prüfungen noch ein Durchschnittsabitur. Dazu muss man allerdings wissen, dass die Prüfungen in Bayern bereits nach hinten geschoben wurden und das Durchschnittsabitur meiner Meinung nach mehr Nachteile als Vorteile für die Schülerinnen und Schüler mit sich bringt.

Dass die Noten wegen Corona schlechter sein werden, davon gehe ich aus. Durch die Pandemie spüren viele Schülerinnen und Schüler eine extreme psychische Belastung und auch der Leistungsdruck in Form der Notenjagd hat den Druck auf die Schülerschaft weiter verstärkt. Dadurch ist ein Großteil der Schülerinnen und Schüler nicht in der Lage, ihre bestmöglichen Leistungen abzurufen. Besonders die vom Kultusministerium nicht verhinderte Notenjagd im zweiten Schulhalbjahr hat die Voraussetzungen gegenüber den 'normalen' Jahren erheblich verschlechtert."

"Alle Schülerinnen und Schüler müssen die Wahl zwischen einer Durchschnittsnote und dem Ablegen der Prüfungen bekommen"

Thomas Niebuer, 18, kommt aus Düsseldorf. Er ist Abiturient und Mitglied im Vorstand der Landesschüler*innenvertretung NRW.

"Dieses Schuljahr war wie kein anderes, die Möglichkeiten am Unterricht teilzunehmen und zu lernen sind von Schule zu Schule und von Schüler zu Schüler so unterschiedlich wie noch nie. Weil die Bedingungen dieses Schuljahr so unfair waren, müssen Prüfungen, wo möglich, dezentral stattfinden und alle Schülerinnen und Schüler, die einen zentralen Abschluss ablegen, müssen die Wahl zwischen einer Durchschnittsnote und dem Ablegen der Prüfungen bekommen.

"Unsicher war und ist in diesem Jahr vieles."

Die wenigen Anpassungen an den Abschlussprüfungen sind lange nicht ausreichend, um die Monate an ausgefallenem oder schlechtem Unterricht zu kompensieren. Und auch ein wenig mehr Auswahl bei den Prüfungsaufgaben hilft Schülerinnen und Schülern nicht dabei, mit der deutlichen Mehr­be­las­tung und der Unsicherheit klarzukommen.

Denn unsicher war und ist in diesem Jahr vieles: Wann und wie wieder Unterricht stattfindet, welche Inhalte ausgelassen werden mussten, ob Abschlüsse wirklich wichtiger als die eigene und familiäre Gesundheit sind, wie groß die Unterschiede gegenüber anderen Jahrgängen ausfallen und welche Noten man ohne die Pandemie wohl hätte erreichen können."

"Bin sehr froh, überhaupt eine Prüfung ablegen zu dürfen"

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Hanna Suhr, 18, macht dieses Jahr ihr Abitur in Malchow, Mecklenburg-Vorpommern.

"Ich fühle mich trotz der Corona-Bedingungen recht gut auf meine Prüfungen vorbereitet, da wir an meiner Schule vor allem von den Lehrkräften stark unterstützt werden. Natürlich fände ich es angenehmer, mein Abitur ohne Masken und andere Bestimmungen zu schreiben – bin jedoch sehr froh, überhaupt eine Prüfung ablegen zu dürfen.

"Die Idee des Durchschnittsabiturs ist für mich keine gerechte Option."

Ich denke nicht, dass Corona meine Prüfungsergebnisse verschlechtern wird, sondern dass es eher in den Semestern unter Auflagen ein paar Nachteile für uns gab, die den Noten geschadet haben. Deshalb ist die Idee des Durchschnittsabiturs für mich auch keine gerechte Option. Das würde meinem Jahrgang neben den Corona-Bedingungen nur noch einen zusätzlichen Stempel aufdrücken."

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