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Unterwasser-Kamerafrau: "Unsere Angst vor Haien steht in keinem Verhältnis"

So nah wie Christina Karliczek Skoglund kommen nur sehr wenige den Haien im Eismeer.
So nah wie Christina Karliczek Skoglund kommen nur sehr wenige den Haien im Eismeer.null / Uli Kunz
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Unterwasser-Kamerafrau: "Ich wusste, das haben in der ganzen Welt nicht mehr als 50 Leute gesehen"

17.01.2021, 16:3618.01.2021, 14:47
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Tiere filmt sie schon lange – 2005 aber hat sich Christina Karliczek Skoglund vollständig auf die Unterwasserkamera spezialisiert. Heute ist sie eine der wenigen Unterwasser-Kamerafrauen, dreht unter anderem für die NDR-Reihe "Expeditionen ins Tierreich" und internationale Co-Produktionen mit BBC und National Geographic.

Die zertifizierte Höhlen- und Eistaucherin ist für zahlreiche Tierfilme rund um den Globus abgetaucht – und dreht auch an Land in extremen Regionen wie der Arktis, dem Dschungel Afrikas oder den Gipfeln des Himalayas. Mit Vorliebe filmt sie in Extremen wie unter Eis. Sie wurde mit mehreren internationalen Preisen ausgezeichnet und war 2017 für den Emmy in der Kategorie "Outstanding Cinematography News/Documentary" nominiert.

Für "Haie eiskalt" (Montag, 18. Januar, 20.15 ARD) begab sie sich auf die Suche nach den kaltblütigen Meeresbewohnern durch den Norden – von sonnigen schwedischen Inselwelten reiste sie über Norwegens Fjorde bis in die grönländische Arktis. Mit watson sprach Christina Karliczek Skoglund über ihre Faszination für die von vielen gefürchteten Meeresbewohner, das seltene Erlebnis einer Hai-Geburt und was wir alle dafür tun können, dass Haie weiter ihre wichtige Rolle in unserem Ökosystem ausfüllen können.

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Christina Karliczek Skoglund im Einsatz.null / Mat Goodman

watson: Das Thema Haie ist für Sie als Unterwasser-Kamerafrau ja nichts Neues, oder?

Christina Karliczek Skoglund: Nein, aber es ist trotzdem spannend für mich: Haie, die in den kälteren Regionen unserer Erde leben. Die sind bisher viel weniger fotografiert und gefilmt worden.

"Wie macht man einen Film über Haie, die bei vielen Menschen eher Ablehnung oder Angst hervorrufen, die aber auf der anderen Seite eine sehr erfolgreiche Überlebensstrategie aufweisen?"

Woran liegt das?

Das liegt einerseits daran, dass die Logistik, um diese Haiarten zu erreichen, viel aufwändiger ist. Die Haie leben eben in Regionen, in denen man mit extremen Wetterschwankungen zu kämpfen hat. Da muss man mit Forschungsschiffen auf hoher See arbeiten oder Fischer und Angler begleiten. Immer wieder muss man geplante Expeditionen auch ausfallen lassen. Zum anderen wissen wir, dass Haie sich in tropischen und gemäßigten Zonen mehr in den oberen Wasserschichten aufhalten. Dadurch sind sie einfach leichter zu finden.

Also war der Film "Haie eiskalt" auch für jemand mit so viel Erfahrung wie Sie eine Herausforderung?

Dieser Film war in vielerlei Hinsicht eine Herausforderung. Es gab wenig vorgetretene Pfade, die man gehen konnte. Wir wussten nicht, wo man die Haie überhaupt findet. Es gibt viel mehr Fragezeichen, als wenn man zum Beispiel mit weißen Haien oder Tigerhaien arbeitet. Es gibt auch viel weniger Forscher, die daran arbeiten, viel weniger Taucher, die die Haie schon mal gesehen haben. Einige der Haiarten haben sogar überhaupt nur ganz wenige Taucher jemals zu Gesicht bekommen.

Welche Rolle spielt die Kälte?

Im kalten Wasser hat man natürlich kürzere Tauchzeiten. Wir haben auch häufig in der Dunkelheit gearbeitet. Es ist einfach viel anstrengender für das ganze Team. Wir sehen den Hai auch erst, wenn er in den Schein unserer Lampen kommt. Oft sind das nur sehr enge Zeitfenster. So mussten wir zum Beispiel in zwei aufeinanderfolgenden Jahren vor Schottland drehen und es in der nächsten Hai-Saison versuchen, weil es in der ersten nicht geklappt hat.

Haie haben nicht unbedingt einen guten Ruf bei vielen Menschen. Inwiefern hat das Ihre Arbeit beeinflusst?

Als Regisseurin ist das eine riesige Herausforderung: Wie macht man einen Film über Haie, die bei vielen Menschen eher Ablehnung oder Angst hervorrufen, die aber auf der anderen Seite eine sehr erfolgreiche Überlebensstrategie aufweisen? Haie sind ja Spitzenjäger. Ich wollte zeigen, wie sie es schaffen, in so einer schwierigen Umgebung zu überleben. Als Filmemacher wollte ich eine emotionale Ebene finden, das ist schwieriger als bei Pinguinen. Babyhaie sind natürlich was anderes, die haben keinen Kuschelfaktor. Wir haben es aber geschafft, eine Haigeburt zu filmen, und ich finde unser Hai-Baby extrem süß. Man sieht aber direkt, dass es ein richtiger Fighter ist, vom ersten Moment an sehen Haie aus wie Haie.

Faszinierende Bilder aus den Tiefen des Meeres.
Faszinierende Bilder aus den Tiefen des Meeres.Bild: Christina Karliczek Skoglund

Was waren sonst Ihre persönlichen Highlights bei den Dreharbeiten?

Spektakulär war, dass wir zum ersten Mal einen Hai filmen konnten, der unter Wasser leuchtet. Der leuchtet wie ein Glühwürmchen – nur halt in der Größe eines Hais. Das war faszinierend. Ich wusste, das haben in der ganzen Welt nicht mehr als 50 Leute gesehen, wenn überhaupt. Ein unglaublicher Gänsehautmoment.

Was hat es denn mit dem Leuchten auf sich?

Die Haie können dieses Leuchten selbst steuern, sie haben kleine Leuchtorgane an ihrem Körper. Das Ganze hat verschiedene Funktionen. Zum einen tarnen sich die Tiere damit gegen größere Haie, die von unten gegen die Wasseroberfläche gucken. Der Laternenhai hat dadurch so eine Art Camouflage-Muster, einen Leucht-Umhang. Der Hai passt sich mit dem Leuchten an das hellere Licht an, das man sieht, wenn man aus der Meerestiefe Richtung Meeresspiegel nach oben guckt.

Ach so, als Tarnung also. Und welche Funktionen hat es noch?

Die Laternenhaie haben einen Stachel, ein Abwehrstachel. Der bedeutet so viel wie: 'Hey, friss mich nicht'. Sie beleuchten ihr Schwert, ihr Leuchtschwert (lacht). Außerdem haben sie eine Beleuchtung an den Geschlechtsorganen. Was genau sie damit signalisieren, wissen wir noch nicht. Die Forschung steht da noch am Anfang, das Leuchten wird erst seit zehn Jahren erforscht.

Schlechtes Image, aber längst nicht so gefährlich, wie viele glauben: Haie.
Schlechtes Image, aber längst nicht so gefährlich, wie viele glauben: Haie.Bild: Christina Karliczek Skoglund
"Jährlich sterben Millionen Haie durch uns Menschen, während die Zahl der Hai-Angriffe auf Menschen etwa bei 50 liegt. Unsere Angst steht da in keinem Verhältnis."

Haben Sie eigentlich gar keine Angst vor Haien?

Die Zahl der Unfälle mit Haien ist weltweit sehr gering. Deswegen habe ich auch keine Angst vor einem Hai-Angriff. Bei den Haiarten, mit denen wir bisher gedreht haben, ist das Risiko extrem gering, einfach, weil sie nicht grundsätzlich aggressiv sind. Ich war einfach überglücklich über jede Chance, eine dieser Haiarten sehen und filmen zu können. Haie haben viel mehr vor uns Menschen zu befürchten. Jährlich sterben Millionen Haie durch uns Menschen, während die Zahl der Hai-Angriffe auf Menschen etwa bei 50 liegt. Unsere Angst steht da in keinem Verhältnis.

Wollen Sie dafür mit dem Film bei mehr Menschen ein Bewusstsein schaffen?

Dieser Film war für mich wichtig, um mehr Bewusstsein für Hai-Arten zu schaffen, die es bisher nicht geschafft haben, die Aufmerksamkeit der Medien zu wecken. Viele dieser Arten sind in heimischen Gewässern zu finden, in der Nordsee zum Beispiel. Es ist außerdem erschreckend, wie rapide die Zahlen bei diesen Hai-Arten derzeit zurückgehen. Wir verlieren quasi täglich Haie aus unseren Gewässern. Ikonische Tiere wie Tiger, Nashörner, Elefanten oder eben auch Haie werden immer stärker bedroht. Wir müssen uns wirklich bewusst werden, was das eigentlich bedeutet.

Nämlich was?

Haie haben in unserem Ökosystem eine ganz bestimmte Rolle. Deswegen betrifft Beifang und Befischung der Haie und ihrer Beutefische nicht nur die Haie, sondern wir drohen dadurch, unsere Ozeane selbst zu verlieren. Wir riskieren es, keine gesunden Meere mehr zu haben, die auch unsere eigene Lebensgrundlage sind.

"Haifleisch wird noch verkauft, in England als Fish and chips, in Deutschland als Schillerlocke."

Ich nehme an, das liegt auch an der Überfischung?

Das ist das größte Problem, ja. Meistens durch nicht-gezielte Fänge, also Beifang. Eine weitere Ursache ist aber immer noch die Jagd auf Haie für die Haiflossen. Haifleisch wird noch verkauft, in England als Fish and chips, in Deutschland als Schillerlocke. Auch eine Substanz aus Haileberöl, Squalen, wird in der Kosmetik verwendet. Und der Fang für Squalen ist völlig unreguliert auf der Hochsee. Man weiß gar nicht genau, wie viele Haie da jedes Jahr gefangen und getötet werden. Es wird auch nur als Fischöl deklariert in Fischereistatistiken.

Was muss geschehen, um Haie zu schützen?

Als Erstes müssen wir eine nachhaltige Fischereisatzung verabschieden, auf internationaler Ebene. Das müssen wir von unseren Politikern dringend einfordern. Es ist erschreckend zu sehen, dass die EU weiterhin eine nicht nachhaltige Fischerei subventioniert und fördert. Die Meere werden seit den 70er Jahren drastisch überfischt, obwohl Wissenschaftler seit dieser Zeit das Gegenteil empfehlen. Die EU ist durch Spanien und Portugal der drittgrößte Exporteur von Haiflossen und Haifleisch – weltweit!

Über die Haie des Nordes und ihre faszinierenden Überlebensstrategien wissen wir bisher wenig –Unterwasser-Kamerafrau Christina Karliczek Skoglund will das ändern.
Über die Haie des Nordes und ihre faszinierenden Überlebensstrategien wissen wir bisher wenig –Unterwasser-Kamerafrau Christina Karliczek Skoglund will das ändern.Bild: Christina Karliczek Skoglund

Wo hakt es denn da?

Mir scheint, dass die Fischerei-Industrie eine deutlich stärkere Lobby hat. Der Profit aus dieser Industrie geht nur wenigen Unternehmen zu. Lokale kleine Fischereibetriebe hingegen können kaum überleben. Und wir haben oft keine politische Umsetzung, die international übergreifend denkt. Denn viele der Arten durchkreuzen eben internationale Gewässer und halten sich nicht nur an einer bestimmten Küste auf. Man müsste also den gesamten Lebensraum der Art schützen, nicht nur eine Küste. Dazu haben wir noch grundlegende Lücken über ihre Verhaltensweisen, ihre Fortpflanzung, ihre Jagd, ihre Wanderrouten. Das macht es extrem schwierig, diese Haie zu schützen.

"Ich hoffe, dass wir in Zukunft einsehen, dass der Verlust von Natur einen hohen Preis hat. Das kostet uns schon jetzt, und es kostet zukünftige Generationen."

Hat der Klimawandel auch Auswirkungen auf die Haie?

Die Klimakrise belastet auch die Haie absolut. Die Erwärmung der Ozeane betrifft alle Haie, besonders aber die in den arktischen Regionen. Die Organismen dort sind wesentlich empfindlicher für Temperaturschwankungen. Durch die Erwärmung der Ozeane dringen immer mehr Arten in die Kaltwasserzonen vor, die ein sehr sensibles Ökosystem haben.

Sind Sie trotz dieser Herausforderungen optimistisch, dass sich noch etwas tun lässt?

Ich bin eigentlich optimistisch, weil ich weiß, dass wir noch gar nicht mit allen Möglichkeiten angefangen haben, Haie zu schützen. Deswegen haben wir noch viele Instrumente, etwas zu machen. Ich hoffe, dass wir in Zukunft einsehen, dass der Verlust von Natur einen hohen Preis hat. Das kostet uns schon jetzt, und es kostet zukünftige Generationen. Und wenn dieser Preis endlich benannt wird, bin ich sehr zuversichtlich, dass wir etwas erreichen können.

Was können wir als Endverbraucher tun, um Haie zu schützen?

Fischprodukte aus nachhaltiger und kontrollierter Fischerei und generell mehr pflanzliche Nahrung kaufen. Keine Haiprodukte essen, und Kosmetika, in denen Squalen drin ist, nicht kaufen. Leider wird oft nicht gekennzeichnet, ob es sich um Squalen aus Haien handelt, oder ob sie aus Pflanzen hergestellt wurde. In einer von fünf Feuchtigkeitscremes weltweit hat man tierisches Squalen gefunden. Wir können als Verbraucher auch durchsetzen, dass diese Bewertungssysteme oder -siegel noch strenger kontrolliert werden.

Wolken? Nein, das ist Eis.
Wolken? Nein, das ist Eis. Bild: Christina Karliczek Skoglund
Frankreich und Russland planen gemeinsame Sache bei Atomenergie

Während andere aussteigen, steigt Frankreich voll ein ins Atomgeschäft. Derzeit betreibt das europäische Land 56 aktive Reaktoren, weitere sind in Planung. Zu Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine musste sich Frankreich daher weniger den Kopf zerbrechen, wie es sich vom russischen Gas losreißt. Anders als etwa Deutschland.

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