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"Abenteuer kann man überall erleben": Corona verstärkt Trend zu regionalem und nachhaltigem Reisen

Im vergangenen Jahr waren Lisa Kraft und Maximilian Gierlinger mit ihrem Dachtzelt unterwegs und haben festgestellt: eigentlich reicht das.
Im vergangenen Jahr waren Lisa Kraft und Maximilian Gierlinger mit ihrem Dachtzelt unterwegs und haben festgestellt: eigentlich reicht das.bild: zweidiereisen
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"Abenteuer kann man überall erleben": Corona verstärkt Trend zu regionalem und nachhaltigem Reisen

05.04.2021, 12:46
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Eigentlich ist Camping nichts für Lisa Kraft und Maximilian Gierlinger. "Haben wir probiert, war nicht ganz so unser Ding", sagt Lisa Kraft.

Doch dann kommt das Coronavirus und mit ihm geschlossene Hotels und Grenzen und gecancelte Flüge. Also kaufen Kraft und Gierlinger sich ein Dachzelt fürs Auto, fahren los und geben dem Camping noch eine Chance. Irgendwann landen sie am Rande eines italienischen Städtchens und campieren auf dem Grundstück eines freundlichen italienischen Rentners. "Da war überhaupt nichts los, aber trotzdem war es genug und erfüllend", sagt Lisa Kraft jetzt, fast ein Jahr später. "Und wir haben gemerkt, dass wir den Trubel gar nicht brauchen. Es war genial."

Das Coronavirus hat nicht nur die Urlaubspläne der beiden Bayern durchkreuzt, sondern die der meisten von uns. Und es könnte dafür sorgen, dass sich unsere Art zu reisen auch langfristig wandelt – selbst dann, wenn Coronatests und Reisebeschränkungen der Vergangenheit angehören. "Die Pandemie stärkt das Bewusstsein und die Wertschätzung fürs Reisen noch einmal. Die Menschen merken, dass Reisen nicht selbstverständlich ist", sagt Kerstin Heinen vom Deutschen Reiseverband zu watson. Der ohnehin bestehende Trend zum nachhaltigen Reisen, sagt sie, hat durch Corona nochmal einen Push bekommen.

Rügen, Usedom, Schwarzwald

Der Trend geht aber nicht nur zum nachhaltigeren reisen, sondern – und das hängt ja irgendwie zusammen – auch zum regionaleren. "In den vergangenen Jahren waren Spanien und Italien die beliebtesten Ziele, inzwischen ist Deutschland ganz vorne, vor allem die Küste: Rügen, Usedom und Mecklenburg-Vorpommern sind beliebt, aber auch die Alpen und der Schwarzwald", sagt Eva Machill-Linnenberg von Wikinger-Reisen. Der Reiseveranstalter bietet vor allem Outdoor- und Natururlaub an und achtet dabei schon lange auf Nachhaltigkeit. "Wer Trekking- oder Natururlaub bucht, lebt ohnehin oft nachhaltiger. Schon im eigenen Interesse wollen Outdoorfans die Natur schützen", sagt die Sprecherin.

Trotzdem: Der Teil derer, die ihren Urlaub wirklich nachhaltig gestalten wollen, ist noch relativ gering. In einer Forsa-Umfrage gaben 2019 nur ein Fünftel der Befragten an, sich schon einmal konkret darüber informiert zu haben, wie sie ihre Urlaubsreise möglichst umweltneutral gestalten können. "Es braucht den steten Tropfen, bis sich die Nachfrage entsprechend ändert", sagt Heinen.

Der Großteil der Menschen wolle immer noch Strand und Meer – auch in diesem Jahr sind laut dem Deutschen Reiseverband deshalb vor allem Pauschalreisen ans östliche Mittelmeer, etwa nach Griechenland und in die Türkei, gefragt. Die Zahl der Buchungen für Kreuzfahrten und Fernreisen steige überproportional an.

Es muss nicht immer Thailand sein

Auch Lisa Kraft und Maximilian Gierlinger zieht es hin und wieder in die Ferne. Trotzdem wollen sie dabei ihren ökologischen Fußabdruck so gering wie möglich halten, die beiden Influencer, die als "zweidiereisen" Einblicke in ihr Leben geben, achten im Alltag auf eine nachhaltige Lebensweise und haben ein Buch über faires Reisen geschrieben.

"Bei Fernreisen sollten Zeit und Entfernung im Verhältnis stehen", sagt Lisa Kraft. Wenn sie und ihr Freund nach Bali fliegen, bleiben die beiden nicht nur zwei Wochen, sondern gleich ein bis zwei Monate. "Man sollte sich vorab auch fragen, was man sich vom Urlaub tatsächlich erwartet", rät die 28-Jährige. "Wenn ich einfach nur am Strand liegen möchte, muss es dann Thailand sein? Oder finde ich den nicht auch in Europa?"

Bei Wikinger-Reisen wünscht man sich ebenfalls, dass Flugreisen länger werden, um sie wirklich nachhaltig zu machen – die Nachfrage lasse das derzeit aber noch nicht wirklich zu. "Wir hoffen, dass es durch Corona eine Besinnung auf das Wesentliche gibt und sich die Einstellung zu Kurztrips ändert", sagt Machill-Linnenberg. "Flugreisen sollten ein Erlebnis sein, das nachhaltig nachwirkt." Eine positive Entwicklung gibt es auf jeden Fall schon einmal: Reisen innerhalb Europas ohne Flugzeug haben in den vergangenen Jahren zugenommen.

"Camping wird total gehypt"

Und es gibt noch mehr Veränderungen. Selbst den durchschnittlichen Pauschalreisenden zieht es seit der Coronapandemie eher aufs Land als in die Metropolen, beobachtet der Deutsche Reiseverband. "Insgesamt bevorzugen die Urlauber seit Corona aber eher die Natur als große Städte, man möchte eher für sich sein", sagt Kerstin Heinen. Auch Campingplätze, Ferienwohnungen und Wohnmobile werden vor diesem Hintergrund beliebter.

Das kann Lisa Kraft aus ihrer nachhaltigen Bubble bestätigen: "Camping wird zurzeit total gehypt. Das Feedback auf unser Dachzelt war enorm", erzählt sie. Wenn sie und ihr Freund doch in einem Hotel übernachten, achten sie darauf, eine möglichst nachhaltige Unterkunft zu finden: Manche davon konzentrieren sich auf Regionalität und Biolebensmittel, andere kompensieren ihre Emissionen oder setzen auf Ökostrom. "Generell schauen wir, dass wir familiengeführte Unterkünfte unterstützen und keine Hotelketten", sagt Kraft.

"Flugreisen sollten ein Erlebnis sein, das nachhaltig nachwirkt."

Irgendwann werden auch Fernreisen wieder eine Rolle spielen, glaubt Lisa Kraft. Aber Slow Travel und eine bewusstere Urlaubsplanung werden sicher auch noch dann nachwirken, wenn wir theoretisch längst wieder ins Flugzeug steigen könnten.

Lisa und Maximilian haben sich in der vergangenen Woche jedenfalls erstmal einen VW-Bus gekauft. Wohin es damit in diesem Jahr gehen soll? "Keine Ahnung, dorthin, wo es eben möglich ist", sagt sie. Europa habe im vergangenen Jahr enorm an Charme dazugewonnen, man fühle sich mehr connected mit den Nachbarländern und mit dem eigenen Land. Und insofern ist es eigentlich auch egal, wohin die Reise geht. "Wir haben gemerkt, dass man Abenteuer überall erleben kann."

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