Vor dem Schloss in Karlsruhe setzen sich Aktivisten mit einem Klimacamp für mehr Umweltschutz ein.Bild: dpa / Uli Deck
Politik
Im Streit um höhere Benzinpreise und den Klimaschutz
sieht sich die designierte Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock
anhaltender Kritik von mehreren Seiten ausgesetzt. Vor allem die SPD
lässt mit ihren Attacken nicht locker. Mehrere Umweltverbände warnten
eindringlich vor einem "unredlichen" Wahlkampf auf Kosten des Klimas.
Baerbock war für eine Benzinpreis-Erhöhung von insgesamt 16 Cent pro
Liter eingetreten – gemäß dem Programmentwurf ihrer Partei. Aus Sicht
der Grünen sind davon 6 Cent mit dem CO2-Preis auf Benzin zu
Jahresbeginn schon erfolgt. Kritik an ihren Äußerungen hatte Baerbock
im "Handelsblatt" mit dem Hinweis gekontert, die Koalition habe
selbst den CO2-Preis eingeführt und gerade die Klimaziele geschärft.
Dann müsse man auch die eigenen Beschlüsse umsetzen.
Unionsfraktionsvize Andreas Jung (CDU) hatte Mitte Mai dafür
plädiert, den CO2-Preis schneller als geplant steigen zu lassen.
CO2-Preis soll weiter steigen
Die Bundesregierung hatte als zentrale Maßnahme im Kampf gegen den
Klimawandel eine CO2-Bepreisung auch im Verkehr und bei Gebäuden
eingeführt. Seit Jahresbeginn gilt ein fixer CO2-Preis von 25 Euro
pro Tonne. Nach bisherigen Planungen soll er bis 2025 auf 55 Euro
steigen. Laut Berechnungen würde das einen Aufschlag von mindestens
15,5 Cent beim Liter Benzin bedeuten und beim Liter Diesel mindestens
17,4 Cent zusätzlich.
Der Chef des Ifo-Instituts, Clemens Fuest, stützte die Argumentation
von Baerbock. Er verwies in den ARD-"Tagesthemen" darauf, dass die
Koalition selbst beschlossen habe, den CO2-Preis zu erhöhen.
Inzwischen seien die Klimaziele noch einmal ehrgeiziger gefasst
worden. Daraus müsse man Konsequenzen ziehen. Der CO2-Preis sei das
wichtigste Instrument der Klimapolitik. Es spreche viel dafür, ihn
schneller zu erhöhen.
SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz hatte bereits am Donnerstag davor
gewarnt, an der Spritpreisschraube zu drehen. Wer dies tue, der
zeige, wie egal ihm die Nöte der Bürgerinnen und Bürger seien, hatte
der Finanzminister der "Bild" gesagt.
SPD verweist auf mögliche Probleme für Bürger
SPD-Chefin Saskia Esken schlägt in dieselbe Kerbe. "Wer jetzt wie
Annalena Baerbock oder auch Andreas Jung von der CDU an der
Spritpreis-Schraube drehen will, jagt gerade denen einen Schrecken
ein, die auf ihr Auto angewiesen sind und die mit einem schmalen
Budget haushalten müssen", sagte Esken dem Redaktionsnetzwerk
Deutschland. "Solche Manöver führen womöglich dazu,
dass sich die Bürgerinnen und Bürger vom gemeinsamen Engagement für
unser Klima abwenden", fügte sie hinzu. "Das wäre ein Bärendienst für
unsere Umwelt." Die Bewältigung des Klimawandels sei eine
Menschheitsaufgabe. "Die kann man nicht im politischen Elfenbeinturm
erreichen." Alle müssten dabei mitziehen.
SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil warnte, ein moderater Anstieg des
CO2-Preises sei vereinbart. Eine Erhöhung gemäß den Vorschlägen von
Grünen und aus der Union hätte aber "massive Konsequenzen", sagte er
der "Rheinischen Post". Die Zeche würden Mieter und Pendler
zahlen. "Jeder muss sich ein klimafreundliches Leben leisten können,
nicht nur die Besserverdiener", betonte Klingbeil.
CSU-Generalsekretär Markus Blume warf den Grünen vor, in der
Klimadebatte ideologisch vorzugehen. "Klimaschutz ist für Annalena
Baerbock vor allem ein Kampf gegen die Autofahrer", behauptete Blume
in der "Augsburger Allgemeinen". Mobilität dürfe kein Luxus
sein. Klimaschutz gehe nur mit den Menschen, nicht gegen sie. "Wir
werden nicht zulassen, dass der ländliche Raum und die Pendler
einseitig die Lasten tragen sollen", sagte Blume.
Umweltverbände warnen vor unredlichem Wahlkampf
Mehrere Umweltverbände appellierten an die Parteichefs von CDU/CSU,
SPD, FDP, Linke und Grünen, keinen Wahlkampf auf Kosten des Klimas zu
betreiben. Notwendig sei ein Parteienstreit um die besten Maßnahmen
für den Klimaschutz. Mit einem "unredlichen Wahlkampf auf Kosten des
Klimas und der Biodiversität" werde aber die für den Klimaschutz
notwendige Akzeptanz in der Bevölkerung "gerade mutwillig oder
fahrlässig zerstört", heißt es der als "Brandbrief" überschriebenen
Erklärung vom Donnerstagabend.
Die Verbandsspitzen beklagten, Finanzminister Scholz und
Verkehrsminister Andreas Scheuer polemisierten gegen eine
schrittweise Anhebung der CO2-Bepreisung und die damit einhergehende
Erhöhung der Spritpreise, dabei hätten sie das Instrument selbst
eingeführt. Teile der Union appellierten gerade wieder an die Herzen
der Autofahrer, blockierten aber im Bundestag eine faire Verteilung
des CO2-Preises beim Heizen.
Die Grünen schlagen im Entwurf ihres Wahlprogramms vor, dass der
CO2-Preis bereits im Jahr 2023 auf 60 Euro steigen soll. Zugleich
wollen sie staatliche Einnahmen aus dem CO2-Preis an die Bürger
zurückgeben. Dazu streben die Grünen neben der Senkung der EEG-Umlage
zur Förderung des Ökostroms ein "Energiegeld" an, das jeder Bürger
erhalten soll.
Daran nimmt die Linke Anstoß. "Mir ist schleierhaft, was an dem
Konzept des Energiegelds der Grünen nachhaltig sein soll", sagte
Linke-Fraktionschefin Amira Mohamed Ali der "Welt". Auch
mache es insbesondere für Menschen mit kleinen und mittleren
Einkommen einen Unterschied, wenn sie in Vorleistung gehen und darauf
warten müssten, dass sie irgendeinen Betrag vom Staat zurückbekommen.
(pas/dpa)
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