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FC Bayern: Kimmich kritisiert eigenes Team – dahinter steckt Taktik

Bayerns neuer Lautsprecher: Joshua Kimmich kritisiert trotz Sieg das eigenen Team.
Bayerns neuer Lautsprecher: Joshua Kimmich kritisiert trotz Sieg das eigenen Team.Bild: imago images / ActionPictures
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Kimmich und Kovac kritisieren eigenes Team – dahinter steckt Taktik

30.09.2019, 16:19
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Der FC Bayern hat mit dem 3:2-Sieg beim SC Paderborn die Tabellenführung erobert, und Robert Lewandowski hat mit nun zehn Saison-Treffern in nur sechs Spielen einen neuen Bundesliga-Tor-Rekord aufgestellt. Eigentlich sollte beim amtierenden Meister alles super sein. So ist es aber nicht. Nach dem Sieg beim Aufsteiger gab es harsche Kritik aus den eigenen Reihen.

"Wir machen einfach zu viele Fehler. Auch schon in den Spielen, die wir hoch gewonnen haben. Keiner von uns ist mit der Art und Weise zufrieden", sagte Nationalspieler Joshua Kimmich, der sich zuletzt als neuer Lautsprecher bei den Bayern in Szene setzt.

Die Bayern gingen früh durch Serge Gnabry in Führung und ließen anschließend zahlreiche Chancen aus. Schon vor dem 1:0 hatte Rekord-Mann Lewandowski im Stile von Naohiro Takahara das leere Tor aus wenigen Metern nicht getroffen. Trainer Niko Kovac sprach von einem "Tausendprozenter". Trotz des 2:0-Treffers durch Philippe Coutinho in der 55. Spielminute wurde es wieder spannend, da Paderborn durch Kai Pröger (68.) wieder herankam. Auch das 3:1 durch Lewandowski in der 79. Minute brachte keine Entscheidung, da der SCP durch Jamilu Collins nur fünf Minuten später wieder verkürzte. Dementsprechend genervt waren auch die Bayern.

Nationaltorhüter Manuel Neuer kritisierte die schlechte Chancenauswertung: "Wenn wir im ersten Durchgang unsere Chancen nutzen, dann fahren wir mit einem Kantersieg nach Hause." Auch Trainer Niko Kovac ärgerte sich darüber: "Wir müssen auch mal mit 2:0 oder 3:0 in die Halbzeit gehen. Da müssen wir konsequenter sein. Dann kommt kein Gegner gegen uns zurück."

Kovac hob vor allem die fehlende Dominanz über 90 Minuten hervor: "Man muss feststellen, dass wir es in dieser Saison noch nicht geschafft haben, ein Spiel über 90 Minuten dominant zu bestreiten."

Kritik von Kovac und Kimmich ist berechtigt

In der ganzen zweiten Hälfte spürten die 15.000 Zuschauer in der Benteler-Arena, dass ein Punktgewinn für den Aufsteiger möglich ist. Das untermauert auch die Statistik: Sieben Torschüsse gelangen den Paderbornern alleine in der zweiten Hälfte. Insgesamt elf Ecken verbuchte der Aufsteiger und zwang den FC Bayern zu 95 Fehlpässen (Paderborn spielte nur 78). Der Rekordmeister fand keine spielerischen Mittel mehr und sehnte dem Abpfiff entgegen. "Die Bayern haben am Ende die Bälle hinten herausgeschlagen", sagte Paderborns Abwehr-Routinier Uwe Hünemeier nach dem Spiel.

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War nach dem Sieg gegen Paderborn ziemlich angefressen: Joshua Kimmich. Bild: imago images/eu-images

In diese Kerbe schlug auch Kimmich: "Ich finde, dass wir ein bisschen zu leichtsinnig mit unserem Ballbesitz umgehen", sagte der 24-Jährige zu "Sport 1" und legte noch nach: "Wir schaffen es nicht immer, Dominanz durch sicheren Ballbesitz auszustrahlen und dadurch signalisieren wir dem Gegner immer wieder, dass etwas möglich ist."

Tatsächlich schafften es die Bayern in dieser Saison selten, ihr Spiel über 90 Minuten durchzuziehen. Bestes Beispiel war die Partie gegen RB Leipzig, als der FC Bayern seine wohl beste Halbzeit in dieser Saison spielte und dominante 74 Prozent Ballbesitz aufwies. Am Ende trennten sich die beiden Spitzenteams aber 1:1 und mit etwas Pech hätten die Bayern in der zweiten Hälfte auch noch verlieren können.

Kritik ist eine gute Taktik

Die Kritik aus den eigenen Reihen ist aber auch eine Taktik, um den Druck hoch zu halten, damit sich nicht das bequeme Gefühl von Zufriedenheit einnistet. Sie wissen in München: Einige ungeschlagene Spiele und eine Tabellenführung am sechsten Spieltag heißen gar nichts. Der FC Bayern konnte in den vergangenen Jahren erfahren, dass sich das Team über die ganze Saison steigern muss. Die tatsächlichen Ziele liegen am Ende der Saison und bis dahin ist noch ein langer Weg.

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Auf Niko Kovac und die Bayern wartet jetzt Tottenham in der Champions League. Bild: imago images / eu-images

Einerseits weiß der FC Bayern nur zu gut, wie schnell der Platz an der Sonne weg sein kann. Vergangenes Jahr erging es Borussia Dortmund so – und die Bayern feierten als "Jäger" in der Bundesliga mit einem starken Comeback doch noch die Meisterschaft. Zwischenzeitlich war der BVB auf neun Punkte enteilt, beim FC Bayern hingegen gab es eine große Krise – mittendrin, der mehrmals angezählte Niko Kovac. Doch der FC Bayern hielt dem Dauerhagel aus Kritik stand, ließ kaum noch Punkte liegen und holte taumelnde Dortmunder noch ein.

In den Spielzeiten davor musste der FC Bayern zudem auf bittere Art und Weise erfahren, dass man sich trotz vorzeitiger Meisterschaft in der Bundesliga nichts in der Champions League kaufen kann.

Denn andererseits ist das Ziel des FC Bayern vor allem der Champions-League-Sieg. Und für den ersten Titelgewinn seit 2013 muss das Team von Niko Kovac mehr als eine Schippe drauflegen. Am Dienstag wartet in der Königsklasse nämlich kein Bundesliga-Aufsteiger, sondern der Vorjahresfinalist Tottenham Hotspur. Die darf der FC Bayern in der zweiten Hälfte nicht so arglos vor das eigene Tor kommen lassen. Sportdirektor Hasan Salihamidzic versprach: "Wir müssen, wollen und werden uns steigern in London."

Joshua Kimmich bekam von einem anderen Bayern-Boss übrigens dann selber noch ein eine Ansage: "Wenn man kritisch ist, muss man die Flagge in die Hand nehmen und nach oben halten. Und dann müssen alle demjenigen hinterher rennen", sagte Karl-Heinz Rummenigge und nahm den neuen Mittelfeldmotor in die Pflicht: "Dann muss er auch große Leistung liefern. Den Anspruch muss er jetzt auch an sich selbst haben." Beim FC Bayern sind sie also noch lange nicht zufrieden mit sich selbst. Und das könnte ihnen am Ende der Saison helfen.

(bn)

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