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BVB - Gladbach: Marco Rose hat eine Geheimwaffe - sie ist kein Spieler

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Mit Marco Rose (l.) und Lucien Favre treffen am Mittwochabend zwei der derzeit polarisierendsten Trainer in Deutschland aufeinander.Bild: imago images/Laci Perenyi
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Achtung, Lucien Favre! Die Gladbach-Geheimwaffe von Marco Rose ist kein Spieler

30.10.2019, 18:0030.10.2019, 18:52
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Wenn Borussia Dortmund und Borussia Mönchengladbach im DFB-Pokal am Mittwochabend innerhalb von elf Tagen zum zweiten Mal aufeinander treffen, sind die Fohlen der Favorit. Und das, obwohl der BVB das Spitzenspiel in der Bundesliga mit 1:0 gewonnen hat. Während der BVB nach zuletzt zwei sieglosen Spielen in einer kleinen Krise steckt, sind die Gladbacher Tabellenführer und die Mannschaft der Stunde. Das liegt vor allem an Trainer Marco Rose.

Marco Rose kam im Sommer vom österreichischen Serienmeister RB Salzburg nach Mönchengladbach und brachte seine eigene Spielidee aus Pressing und Positionsspiel mit. Und schon am Anfang der Saison ist die Rose-Idee im VfL-Spiel zu erkennen und der 43-Jährige erntet mit der Tabellenführung die erste Frucht seiner Arbeit. Abseits der Taktiktafel gilt Rose als bodenständiger Sympath und gieriger Motivator. In Gladbach scheint etwas Großes zu entstehen. Auch deswegen gelten die Fohlen im Borussen-Duell das erste Mal seit Jahren wieder als Favorit.

Auf der anderen Seite steht nämlich BVB-Trainer Lucien Favre seit Wochen in der Kritik. Zwar wurde die Borussia unter dem ehemaligen Gladbach-Trainer Vizemeister in der vergangenen Saison und steht in dieser Spielzeit nur drei Punkte hinter dem Tabellenführer, doch Favre wurde schon angezählt. Die Kritiker bemängeln einige Baustellen: Zu harmlos sei das BVB-Offensivspiel, zu leidenschaftslos spiele das Team und zu undurchsichtig sie die Spielidee. Die emotionsgeladenen BVB-Fans fremdeln mit dem zurückhaltenden Taktiker aus der Schweiz.

Ist Rose der Klopp-Nachfolger, den der BVB nie hatte?

Immer wieder muss sich Favre bei den BVB-Fans den Vergleich mit Jürgen Klopp gefallen lassen. Der heutige Trainer des FC Liverpool krempelte den BVB vor zehn Jahren um und coachte den Klub aus dem Mittelfeld der Bundesliga zu zwei Meisterschaften, einem Pokalsieg und bis ins Champions-League-Finale. Der BVB ist seitdem ein Spitzenklub, die Fans wollen wieder ganz nach oben zurück. Der Vergleich Favre-Klopp ist jedoch fast schon unfair, zu verschieden sind beide Trainer. Klopp, der in Vorträgen auch mal Führungskräften aus der Wirtschaft seine Motivationskünste weitergibt, hat wenig mit Favre, dem in sich gekehrten Fußball-Professor, zu tun.

2006 in Mainz: Trainer Jürgen Klopp herzt seinen Spieler Marco Rose.
2006 in Mainz: Trainer Jürgen Klopp herzt seinen Spieler Marco Rose.Bild: imago images / T-F-Foto

Die Klopp-Vergleiche kennt Gladbach-Trainer Rose nur allzu gut. Klopp trainierte Rose als Spieler bei Mainz 05 und inspirierte den Gladbach-Trainer. So war es Klopp, der ihm auch den Rat gab, mal eine Trainerlaufbahn in Betracht zu ziehen. Roses Spielstil steht für aggressives Pressing und schnelles Umschaltspiel – gepaart mit der richtigen Mentalität. All das erinnert vor allem BVB-Fans an die Zeit unter Jürgen Klopp. Es scheint so, als sei Rose der Trainer, den sich die BVB-Fans eigentlich wünschen.

Gladbachs größte Stärke ist die Schlussphase

Die richtige Mentalität wird dem BVB-Team derzeit regelmäßig abgesprochen. Beim BVB löste das "M"-Wort im September eine ganze Debatte aus – samt Ausraster von Kapitän Marco Reus. Anders bei Borussia Mönchengladbach: Dort scheint die Mentalität eine der größten Stärken zu sein. Der mannschaftliche Wille scheint wichtiger als jeder einzelne Spieler, und dieser Wille wird vom Trainer systematisch gefördert.

Von den 19 Toren der Gladbacher in der Bundesliga fielen insgesamt acht Treffer in der Schlussviertelstunde. In der Europa League schossen die Gladbacher beide Ausgleichtreffer gegen die AS Roma und Basaksehir in der Nachspielzeit – es waren die einzigen Treffer in dieser Europa-League-Saison. Und auch bei der 0:1-Niederlage beim BVB drückten die Gladbacher in der Schlussphase ordentlich und schrammten nur haarscharf am Ausgleich vorbei. Das ist kein Zufall, sondern System.

In der vergangenen Saison hatte Rose eine ähnliche Statistik in Salzburg und holte die Meisterschaft: Fast jeder dritte Treffer fürs Roses Salzburger fiel in der Schlussviertelstunde. Der Salzburg Torhüter Cican Stanković erklärte nach dem Meisterschaftsgewinn: "Bei uns spürt man einfach immer, dass noch etwas geht. Es ist kein Zufall, dass wir die meisten Tore in den letzten 15 Minuten geschossen haben."

Lars Stindl of Borussia Monchengladbach celebrating after score a goal on penalty Roma 24-10-2019 Stadio Olimpico Football Europa League 2019/2020 Group J AS Roma - Borussia Monchengladbach Photo Anto ...
Die Gladbacher feiern Lars Stindls Last-Minute-Treffer in Rom. Bild: imago images/Insidefoto

Diese Mentalität haben Rose und der Salzburger Neuzugang Stefan Lainer an den Niederrhein mitgenommen. Das riss Rose auch mal in einem Interview im Sommer-Trainingslager Ende Juli bei "Fohlen.TV" an.

Der Gladbacher Stadionsprecher Torsten Knippertz erzählte, dass Lainer in der Last-Minute-Qualität eine der größten Stärken von Rose sehe. Angesprochen darauf erklärte Rose: "Grundsätzlich hätte ich nichts dagegen, wenn wir die Qualität entwickeln, auch am Ende nochmal zuschlagen zu können", so der neue Cheftrainer und fügte hinzu: "Die Überzeugung das schaffen zu können, entsteht über erlebte und gemeinsame Momente. Und daran sollten wir arbeiten. Es ist wichtig bis zum Schluss an uns zu glauben. Das ist ein ganz wichtiges Thema." Was für viele Trainer eine Floskel ist, scheint für Rose mehr zu sein. Drei Monate später hat sein Team in Rom oder Istanbul schon solche Momente erlebt.

BVB in der Schlussphase anfällig

Was diese Statistiken befeuert: Roses Teams sollen auch in der Schlussphase die Gegenspieler ansprinten, sodass sie diesen so wenig Zeit am Ball wie möglich geben und sie zu Fehlern zwingen. Das funktioniert in der Schlussphase, wenn die Kopf und Beine müde werden, umso besser.

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Die Gladbach-Fans träumen schon.Bild: imago images/Eibner

Beim BVB sieht das in dieser Saison andersherum aus: Von 20 Bundesliga-Toren schossen die Dortmunder in dieser Saison nur fünf Tore in der Schlussviertelstunde – drei davon jedoch bei den Kantersiegen gegen Augsburg (5:1) und gegen Leverkusen (4:0). Stattdessen kassierten sie zuletzt gegen Frankfurt und Freiburg einen späten Ausgleichstreffer in der 88. und 90. Minute.

Doch bei all der Schwarzmalerei weiß der BVB wiederum, dass er schon einmal gegen die Gladbacher gewann und sich auch in der Schlussviertelstunde kein Tor mehr fing. Zudem dürfte allen Favre-Kritikern und Klopp-Nostalgikern ein Blick in die Gladbacher Vergangenheit guttun: Ein gewisser Lucien Favre übernahm im Frühjahr 2011 die Borussia aus Mönchengladbach, als sie abgeschlagener Tabellenletzter der Bundesliga war. Er bewahrte sie vor dem Abstieg und führte sie nach 37 Jahren Abstinenz bis in die Champions League. Das schafft man nicht nur mit Taktiksachverstand – da gehört auch ein bisschen Mentalität dazu.

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