Jordan Torunarigha von Hertha BSC wurde im Spiel gegen Schalke 04 rassistisch beleidigt – der Großteil der Fans steht hinter ihm.Bild: imago images/Jan Huebner
Bundesliga
Wer dachte, dass Rassismus in Deutschland nur noch eine Randerscheinung ist, der wurde in den vergangenen Wochen und Monaten eines Besseren belehrt. Er ist überall und zeigte sich in Hanau von seiner grauenvollsten Seite. Auch im deutschen Profi-Fußball offenbarte er sich. So wurde der frühere deutsche U-Nationalspieler Jordan Torunarigha von Hertha BSC im Spiel gegen Schalke 04 Anfang Februar rassistisch beleidigt. Trotz des abscheulichen Vorfalls wird der 22-Jährige sogar mit verhöhnendem Gegenwind konfrontiert.
Torunarigha wehrte sich nun energisch gegen die Verharmlosung von Rassismus. "Hab
selten sowas Dummes gelesen!", schrieb der 22-Jährige vom Berliner
Bundesligisten am Dienstag bei Twitter und verlinkte einen Text der
Online-Plattform "novo-argumente.com". In einem Artikel schreibt der Berliner
Wissenschaftler Prof. Dr. Stefan Chatrath unter anderem:
"Fußballer, die professionell spielen, müssen Beleidigungen
aushalten, das gehört dazu." Diese These sorgte beim Hertha BSC für Sprachlosigkeit. Der Verein twitterte wenig später: "Ohne Worte..."
Wissenschaftler erntet massive Kritik
Professor Chatrath ist auch Stellvertretender
Vorsitzender der wissenschaftlichen Kommission des Landessportbundes
Berlin. In der Kritik steht sein Text mit der Überschrift "Die Leiden des jungen
Torunarigha". Darin werden unter anderem die Vorfälle während des Bundesligaspiels bei Schalke 04 behandelt.
Bei der Begegnung wurde der gebürtige Chemnitzer und frühere Junioren-Nationalspieler nach eigenen Aussagen rassistisch
beleidigt.
"Ja, das mag wehtun, aber die Vorfälle ereigneten sich in einem
Fußballstadion, wo es dazugehört, dass der Gegner mit Spott und Häme
überzogen wird", schrieb Chatrath: "Natürlich kann ich es auch nicht
schönreden, wenn im Stadion jemand Affengeräusche nachahmt, um
schwarze Spieler zu beschimpfen. Das ist rassistisch, keine Frage."
Die Zeilen könnten für Chatrath, der für eine Stellungnahme
zunächst nicht zu erreichen war, nun ernsthafte Folgen haben. Wie der
Landessportbund auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mitteilte,
wird das Präsidium am Mittwoch "in seiner Sitzung über den Verbleib
von Herrn Chatrath in der Wissenschaftlichen Kommission entscheiden".
Nicht nur Fans von Hertha BSC, sondern auch Anhänger des FC Schalke solidarisierten sich nach den Beleidigungen mit dem Berliner. Bild: imago images/Kirchner-Media
LSB-Präsident Thomas Härtel distanzierte sich klar von Rassismus:
Die Äußerungen Chatraths seien unvereinbar mit dem Leitbild des
Landessportbunds. Dieses würde sich gegen "jegliche Form von
Diskriminierung, Extremismus, Gewalt und Missbrauch" richten und
"Sport als eine Einladung an alle" verstehen.
Text könnte Folgen haben
Chatraths Verhalten passt dazu nicht. Der Professor der
University of Applied Sciences Europe schrieb von einer "emotionalen
Überreaktion von Jordan Torunarigha" beim Spiel in
Gelsenkirchen. Weiter heißt es: Torunarigha sei "der einzige, der die
Beleidigungen gehört hat". Und weiter: "Wäre es nicht möglich, dass
Jordan Torunarigha sich verhört hat?" Für Chatrath sei grundsätzlich
im Sport "alles erlaubt, solange der gegnerische Spieler physisch
nicht so stark geschädigt wird, dass er ausgewechselt werden muss".
Auch bei Prof. Dr. Wolfang Merkle von der University of Applied
Sciences Europe kamen die Zeilen nicht gut an. "Das entspricht
überhaupt nicht unseren Grundlagen und Überzeugungen", sagte der
Prodekan der dpa: "Wir sind selbst ein international ausgerichtetes
Unternehmen und stehen vor dem Hintergrund für das Thema Pluralität
und Diversität." Er könne die Aussagen "überhaupt nicht tolerieren.
Wir distanzieren uns komplett davon". Ein persönliches Gespräch mit
Chatrath habe es noch nicht gegeben, dieses solle aber folgen.
Zahlreiche Fans und Experten kritisierten den Beitrag scharf. Philipp Köster, Chefredakteur des renommierten Fußball-Magazins "11 Freunde", forderte eine Reaktion: "Es sind Zeilen, deren Abgebrühtheit und Zynismus dem Leser den Atem stocken lassen. Und sie sollten Anlass sein, den Autor aus der Wissenschaftlichen Kommission des Landessportbundes abzuberufen."
(bn/dpa)
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