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Nura: Rapperin über Rassismus – "Für die meisten sind alle Ausländer Flüchtlinge"

Berlin Lollapalooza Berlin 2019 08.09.2019, v.l.Rapperin Nura (Nura Habib Omer) steht beim Musikfestival Lollapalooza 2019 auf dem Gelaende des Olympiaparks auf der Buehne in Berlin *** Berlin Lollapa ...
Nura auf der Bühne. Im Interview mit watson spricht sie über ihre Erfahrung mit Rassismus.Bild: imago images/ Eibner
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Rapperin Nura über Rassismus: "Für die meisten sind alle Ausländer Flüchtlinge"

05.08.2020, 14:2605.08.2020, 17:33
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Nura Habib Omer zählt zu den erfolgreichsten Rapperinnen Deutschlands. 2014 gründete sie mit Juju die Band SXTN. Nach dem Aus startete die heute 31-Jährige als Solokünstlerin durch. Mit schlagfertigen Textzeilen ging es auch danach weiter. Nun hat Nura ihre Biografie mit dem Titel "Weißt du, was ich meine?" veröffentlicht. Darin schreibt sie nicht nur über ihre musikalische Laufbahn, sondern vor allem auch über die ganz private Nura abseits vom Rampenlicht.

Als Dreijährige hatte die Sängerin mit ihrer Mutter, einer Eritreerin, und den drei Geschwistern ihr Geburtsland Kuwait verlassen und in Deutschland Schutz gesucht. Hier musste sie schnell erste Erfahrungen mit Rassismus machen. Im Interview mit watson spricht die Musikerin über ihre Kindheit in Wuppertal, Polizeigewalt und erklärt, warum sie der Meinung ist, dass es Geflüchtete heute viel schwerer haben als sie damals.

watson: Du bist in den 90ern aus Kuwait nach Deutschland geflohen. Hast du schon damals Rassismus wahrgenommen?

Nura Habib Omer: Damals bin ich anders mit Rassismus umgegangen. Da war es so, dass Ältere etwas genuschelt haben, wenn ich an ihnen vorbeigelaufen bin oder wir laut gespielt haben. Wir waren noch kleine Kinder. Das erste, an was ich mich erinnere, ist, dass wir vor der Haustür in Wuppertal mit unseren türkischen Nachbarn gespielt haben. Wir waren viele Kinder im Alter von sieben bis neun Jahren. Die anderen Nachbarn meinten zu uns: "Scheiß Ausländer, spielt mal nicht so laut!"

Im Buch beschreibst du, wie ein Mitschüler dir eine Banane hinterhergeworfen hat.

Das ging Monate so, bis ich ihn dann geschlagen habe. Das war aber gar nicht so schlimm für mich. Für mich waren die älteren Menschen schlimmer, die rassistischen Sachen gesagt haben. Warum sagen die sowas Dummes? Die sind doch erwachsen, sie müssen schlau sein. Ich konnte damit gar nicht umgehen. Das hat mich am meisten verletzt. Ich hätte solche Erfahrungen zu Hause erzählen können, aber meine Mama wäre besorgt gewesen.

"Das erste Problem mit der Polizei hatte ich 2006 beim Karneval in Düsseldorf."

Wie erlebst du heute Rassismus?

Der letzte rassistische Vorfall war in einem Café. Ich war mit einer Freundin dort. Wir haben einen Kaffee getrunken und zwei Männer sind an uns vorbeigelaufen. Der eine sagte plötzlich: "In meinen Kaffee muss auf jeden Fall Milch rein. Ich hasse schwarzen Kaffee." Dabei hat er mich voll böse angeguckt. Ich dachte mir: Hättest du deinen Rassismus nicht besser verpacken können? Er lief weiter und hat mich noch mal extrem eklig angeschaut. Sein letzter Satz war: "Wir hassen schwarzen Kaffee." Ich habe "Nazi" hinterhergerufen. Er sagte: "Ja, und ich bin stolz drauf." Später habe ich ihn nochmal gesehen und habe mit meinem lauten Organ ganz laut geschrien: "Leute, das ist ein Nazi und er ist stolz drauf." Don’t fuck with me, wenn es darum geht.

Wie sieht es mit Polizeigewalt aus?

Das erste Problem mit der Polizei hatte ich 2006 beim Karneval in Düsseldorf. Mein Ex-Freund war als Frau verkleidet und mein großer Bruder als sein Zuhälter. Die beiden sahen super cool zusammen aus. Wir sind gut gelaunt durch die Stadt gelaufen. Dann kam ein Mann auf uns zu, der sich angegriffen gefühlt hat, weil mein Ex-Freund als Frau verkleidet war. Er beleidigte ihn als Schwuchtel. Ich meinte sofort, bleib mal ruhig, was soll denn das. Mein kleiner Bruder wollte die Situation schlichten und sagte, wir sollen alle ruhig bleiben. Die Polizei kam und hat gesehen, dass mein Bruder meinen Ex-Freund und den anderen Mann auseinanderhält. Dazu muss man sagen, dass mein Ex-Freund Halbpakistaner ist, der Typ, der ihn blöd angemacht hat, war ein Deutscher und mein kleiner Bruder ist dunkelhäutig.

Wie hat die Polizei reagiert?

Die ist auf meinen kleinen Bruder rauf, hat ihn gepackt, gegen die Wand gehauen. Sie wollten nicht wissen, dass er nicht derjenige ist, der den Streit verursacht hat, sondern helfen wollte. Das war für uns unfassbar. Mein großer Bruder kam dazu und wollte den Polizisten erklären, dass sie den Falschen haben. Der deutsche Junge wurde gar nicht von der Polizei angefasst. Dann kam ein anderer und hat meinen großen Bruder direkt verhaftet. Sein Arm wurde umgedreht und er wurde an die Wand gedrückt.

"Für die meisten sind alle Ausländer Flüchtlinge."

Du sagst, Menschen, die heute nach Deutschland kommen, haben es viel schwerer, als ihr damals. Wie wurdet ihr behandelt?

Heutzutage kommt es mir so vor, dass Menschen nicht zwischen Ausländer und Flüchtling unterscheiden können. Für die meisten sind alle Ausländer Flüchtlinge. Wenn ein Deutsch-Türke etwas macht, wird gleich von einem Flüchtling gesprochen. Es gibt einfach so einen hardcore Hass gegen Flüchtlinge: Die nehmen uns was weg, die kriegen mehr als wir, wir sind hier das Volk. Es werden irgendwelche Fake-News verbreitet, aufgesaugt und von dummen Menschen weiterverbreitet: Eine Flüchtlingsfamilie mit sieben Kindern hat so und so viel mehr Geld als eine deutsche Familie. Deswegen hat man es jetzt als Flüchtling viel schwerer. Man wird für jede Scheiße belangt.

Du schreibst auch, dass du Identitätsprobleme hattest und dir gewünscht hast, nicht schwarz zu sein.

Ich habe mir gewünscht, ich bin ein blondes Mädchen, das Christina heißt und einen ganz normalen Körper mit nicht so vielen Rundungen hat. Kinder sind sehr hinterhältig und mobben, sodass der Lehrer das nicht mitbekommt. Man kann nicht von den Kindern erwarten, dass sie für das Opfer sprechen. Das hat was mit Erziehung zu tun. Entweder du bist ein Kind, das einen Gerechtigkeitssinn hat oder nicht.

Du schilderst in deinem Buch, dass du ausgegrenzt und gemobbt wurdest, dich geritzt hast, depressiv warst. Was hätte damals anders laufen sollen?

Das Schlimmste waren die Lehrer. Wenn sie sich in der Schule mehr Mühe gegeben hätten, wäre alles anders verlaufen. Sie wissen ganz genau, dass nach der Stunde der Schüler weiter geärgert wird. Dieses "Ruhe bitte" ist ja nur dazu da, dass dein Unterricht nicht unterbrochen wird. Meine Lehrer hätten locker sagen können, das und das finden sie nicht cool. Sobald ein Kind nicht zur Schule geht, gibt es entweder Probleme zu Hause oder in der Schule. Eltern und Lehrer sollten zusammenarbeiten. Sie müssen die Augen aufmachen und merken, was da schiefläuft. In Amerika bringen sich Kinder, nachdem sie gemobbt und geärgert werden, um. Das hätte man alles locker verhindern können. Als Betroffener ist man sehr depressiv und denkt sich, was mache ich hier.

"Ich habe so viele dumme Aktionen auf Alkohol gemacht, die ich im Nachhinein bereut habe."

Wie sehen deine Erfahrungen mit Drogen aus?

Am Anfang habe ich gekifft, weil es cool war. Jetzt im Erwachsenenalter sage ich ganz ehrlich, dass kiffen so entspannend ist. Wenn ich Kinder hätte, wäre mir lieber, dass sie keinen Alkohol trinken und lieber kiffen. Ich habe so viele dumme Aktionen auf Alkohol gemacht, die ich im Nachhinein bereut habe. Ich habe mich dumm verhalten, Sachen kaputt gemacht, auf irgendwelchen Partys randaliert. Mein Verhalten ist mir wirklich peinlich. Du musst dein Limit kennen. In meinem Leben spielt Alkohol keine große Rolle.

Du outest dich in deinem Buch als bi. Wie wird deine Familie darauf reagieren?

Ich weiß nicht, wie meine Mutter darauf reagiert, aber auf jeden Fall wird es nicht schlimm. Sie war mit mir schon auf einer LGBTQ-Party. Sie wird wohl was ahnen. Ich muss sagen, dass ich Frauen viel schöner finde als Männer. Vielleicht geben Männer einem eine andere Bestätigung, aber Frauen sind das viel schönere Geschlecht. Ich glaube, in jeder Frau steckt ein bisschen Bisexualität. Viele Fans oder Follower schreiben mir, Nura, ich komme aus einem arabischen Elternhaus, ich bin schwul, ich bin lesbisch, kannst du mir helfen. Deswegen war es für mich wichtig, meine Sexualität zu benennen. Geteiltes Leid ist halbes Leid. Wenn man weiß, ich habe dasselbe Problem, ist es für meine Fans wichtig zu wissen: Ich bin doch normal.

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