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Kult-Fußballer Hans Sarpei: "Ich wurde 'Neger' genannt"

Fußball-Star Hans Sarpei in seiner RTL2-Doku "Abgestempelt!? Hans Sarpei will's wissen".
Fußball-Star Hans Sarpei in seiner RTL2-Doku "Abgestempelt!? Hans Sarpei will's wissen".Bild: Screenshot RTLzwei
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So begegnet Kult-Fußballer Hans Sarpei Rassismus im Alltag

20.05.2020, 14:5021.05.2020, 14:03
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Wie brutal ist Deutschlands Jugend? Und welche Rolle spielt die Hautfarbe eines Menschen im Alltag? Nachdem die Sozialreportage "Abgestempelt!? Hans Sarpei will's wissen" in den vergangenen beiden Jahren bei RTL2 zum Erfolg wurde, begleitet der Kult-Fußballer nun in einer zweiten Staffel die verschiedensten Menschen in ihrem Alltag, taucht in ihr Leben ein und geht vorurteilsfrei an mitunter schwierige Themenkomplexe heran.

Mit watson sprach Sarpei über seine Begegnungen mit Tätern und Opfern von Jugendkriminalität, darüber, wie ihn der Fußball als Jugendlicher in Köln-Chorweiler von der Straße holte und warum er auch heute noch Menschen erklären muss, dass das Wort "Neger" ein Schimpfwort ist.

watson: Hans, du hast in deiner Doku "Abgestempelt!? Hans Sarpei wills wissen" Opfer von Jugendkriminalität getroffen. Welche Begegnung ist dir am meisten in Erinnerung geblieben?

Hans Sarpei: Das war sicher die Begegnung mit Christian, einem jungen Mann, der als Jugendlicher Opfer von Gewalt wurde: Er hatte einfach nur in einer Disco einem Mädchen einen Drink spendiert, deren Freund ist dann auf ihn losgegangen. Ein einzelner Schlag hat in einer Sekunde sein ganzes Leben verändert, er ist heute schwerst behindert. Wenn man so etwas liest, ist das schon schlimm. Aber wenn dir die Person gegenübersitzt, lässt dich das nur schwer los. Diese Begegnung ist mir sehr nah gegangen.

Hans Sarpei traf Christian, der als Jugendlicher vor einer Disco zusammengeschlagen wurde, im Fitnessstudio.
Hans Sarpei traf Christian, der als Jugendlicher vor einer Disco zusammengeschlagen wurde, im Fitnessstudio.Bild: RTL2

Du bist nicht nur den Opfern, sondern auch den Tätern begegnet. Wie war dein Eindruck von ihnen?

Ich glaube, dass die Täter schon alle wissen, was sie getan haben, aber aus dieser Spirale von Prügeleien, Gefängnis, Reue nicht rauskommen, auch wenn sie es vielleicht gerne würden. Da bräuchten sie jemanden, der sie über Jahre betreut und an ihrer Seite bleibt, mit ihnen zusammen feste Strukturen erarbeitet und ihnen einen Weg aufzeigt, wie sie dieser Spirale entkommen könnten. Und das ist nur schwer zu realisieren. Denn von diesen Leuten gibt es viel zu wenige. Als Gründe für ihre Gewalttaten nannte einer der jungen Männer Geldnot oder auch schlicht Langeweile.

Glaubst du, dass er seine Taten bereut?

Ich glaube schon, dass er im Nachhinein einige Sachen bereut und gerne einen anderen Weg einschlagen würde. Für mich glaube ich aber nicht, dass er da rauskommt. Denn er sieht viele Sachen zu einfach und denkt, man könnte sein Leben mit links ändern. Aber Menschen, die Gewalttaten begehen, haben sich nun mal daran gewöhnt. Und wenn sie mit einer normalen Arbeit kein Geld verdienen, dann kommen sie wieder auf blöde Gedanken.

Im Gespräch mit Sebastian Fiedler, Vorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, stellte sich heraus, dass die Jugendkriminalität in den letzten Jahren abgenommen hat. Eine überraschende Info?

Ich war tatsächlich schockiert, als er gesagt hat, dass die Taten abnehmen. Denn in der Gesellschaft nehmen wir es eher wahr, dass die Jugendkriminalität massiv zunimmt. Das hat aber auch mit den sozialen Medien zu tun. Früher hast du vielleicht durch die Zeitung ein paar Dinge mitbekommen oder durch deine unmittelbare Umgebung – heute hast du Zugang zu sämtlichen Informationen. Die Leute bekommen mehr mit und sie haben daher auch mehr Angst. Aber die Aggressivität, mit der die jugendlichen Täter vorgehen, nimmt zu. Ich kenne es aus meiner Jugend anders.

"Ich bin froh, dass ich als Jugendlicher den Fußball hatte und nicht auf der Straße blöd rumsaß."

Wie war es bei dir?

Ich bin in Köln-Chorweiler groß geworden. Und dort hatte ich auch mit Leuten zu tun, die später kriminell geworden sind. Aber wir haben uns eher geboxt. Und heute hast du das Gefühl, sie hauen dir eine Flasche über den Kopf oder gehen mit dem Messer auf dich los. Das kennt keine Grenzen. Ich frage mich auch, woran das liegt, vielleicht an den vielen Gewaltfilmen. Ich bin froh, dass ich den Fußball hatte und nicht auf der Straße blöd rumsaß. Ich hatte im Verein meine Freunde, habe da meine Energie rausgelassen und mich ausgetobt. Wir müssen einfach versuchen, so viele Jugendliche wie möglich von der Straße zu holen. Denn ich glaube, dass jeder Mensch auf der Welt ein Potenzial und ein Talent hat, das er ausschöpfen und einsetzen kann.

Bildnummer: 07913469 Datum: 21.05.2011 Copyright: imago/DeFodi
Samstag, 21.05.2011, DFB Pokal - Finale, Saison 10/11 in Berlin, MSV Duisburg - FC Schalke 04 0:5, Die Mannschaft mit Pokal , Klaas - Ja ...
Jubel beim DFB-Pokal-Finale 2011 in Berlin: Sarpei mit seinen Teamkollegen von Schalke 04.bild: imago images
"Wenn du dich mit den Tätern auseinandersetzt, verstehst du eher, dass die Ursachen oft in den Familien liegen."

Wo könnte man da ansetzen?

Wenn du dich mit den Tätern auseinandersetzt, verstehst du eher, dass die Ursachen oft in den Familien liegen, dass sie ihre Aggressionen loswerden wollen. Dass die Eltern gar nicht wissen, was in ihren Kindern vorgeht. Dass sie zum Beispiel Angst haben, zur Schule zu gehen. Auch die Eltern müssen unterstützt werden. Deswegen kann ich nur dafür werben, in die Familien zu gehen und dort viel Aufklärungsarbeit zu leisten. Und weil es dafür zu wenig Manpower gibt: Beratungsangebote annehmen. Denn nicht immer können die Kids was für ihre Taten.

Apropos Kids: Du hast dich auch mit der Frage beschäftigt, ob das Jugendstrafgesetz zu lasch ist.

Richtig, wenn 14-Jährige eine 18-Jährige vergewaltigen und nicht ins Gefängnis kommen, dann ist es zu lasch. So etwas trägt das Opfer ein Leben lang mit sich rum. Und der Jugendliche bekommt ein paar Sozialstunden, das kann es ja nicht sein. Bei solchen extremen Taten sollte man aus dem Jugendstrafgesetz raustreten und diese Taten einzeln bewerten.

"Ein Mann hat mir gesagt, er unterscheidet zwei Arten von Ausländern: Es gibt Polen, Tschechen und dann gibt es noch diejenigen, die aus Afrika oder dem arabischen Raum kommen."

In der zweiten Folge der Doku setzt du dich mit dem Thema Rassismus auseinander. Was hast du da erlebt?

Ich habe unter anderem einen Mann im Osten Deutschlands getroffen, weil wir der Frage nachgehen wollten, ob es einen Unterschied gibt, wie die Menschen in den alten und den neuen Bundesländern mit dem Thema Ausländerfeindlichkeit umgehen. Dieser Mann hat mir gesagt, er unterscheidet zwei Arten von Ausländern: Es gibt Polen, Tschechen und so weiter und dann gibt es noch diejenigen, die aus Afrika oder dem arabischen Raum kommen. Letztere können sich seiner Meinung nach nicht in Deutschland integrieren, weil sie aus einem anderen Kulturkreis kommen. Das Verrückte daran war aber, dass er mir auch nur das erzählt hat, was er gehört hat.

Er selbst hatte also gar keine Erfahrungen mit Ausländern gemacht?

Nee, gar keine. Er sagte auch, dass er in seinem Unternehmen keine Moslems einstellen könnte, weil das die anderen Mitarbeiter nicht akzeptieren würden, wenn sie beten müssen. Sich mit Moslems persönlich auseinandergesetzt, hatte er aber noch nie. Und dann hat er noch über "die Neger" gesprochen. Und ich habe ihm erklärt, dass "Neger" ein Schimpfwort ist.

Wie hat er darauf reagiert?

Er hat das gar nicht verstanden und gesagt, dass er das gar nicht als Schimpfwort ansieht. Das habe ich ihm an der Stelle auch geglaubt, dass er gar nicht weiß, was er da sagt. Aber mit mir kann man über so etwas diskutieren und wenn er das zu einem anderen Menschen sagen würde, wäre er über dieses Wort vielleicht sehr aufgebracht. Da kommt Unwissenheit und ein Stück Ignoranz zusammen. Es gibt immer eine kleine Gruppierung, die wirklich ausländerfeindlich ist. Und wir müssen versuchen, die Gruppen, die es eigentlich gar nicht sind, aber sich zu gewissen Gedankengütern hingezogen fühlen, aufklären.

"Es gibt auch viele ältere Leute, die 'Neger' sagen und es gar nicht böse meinen."

Wie gehst du mit solchen Menschen um, wenn du das N-Wort oder andere Beschimpfungen hörst?

Ich versuche immer, in die Diskussion zu gehen. Ich kenne Beschimpfungen aus meiner Kindheit, aus meinem ganzen Leben. Es ist gerade im Osten Deutschlands schwer, weil die Menschen dort eher nicht mit vielen Ausländern zusammentreffen. Bei mir in Köln-Chorweiler war das schon anders, es war bunt gemischt, "Neger" genannt oder beschimpft wurde ich trotzdem. Aber es gibt auch viele ältere Leute, die das sagen und es gar nicht böse meinen.

Weil sie es nicht anders gelernt haben?

Genau. Denen versuche ich dann immer, das zu erklären. Ich versuche es immer, mit Humor zu nehmen, wenn mir Ausländerfeindlichkeit widerfährt. Es gab eine Situation, da war ich so zehn Jahre alt. Mein Bruder und ich waren noch zu DM-Zeiten einkaufen. Und wir hatten einen 100-Mark-Schein dabei. Das war so unglaublich viel Geld! Und die Verkäuferin dreht und wendet den Schein in alle Richtungen und ich sage zu meinem Bruder, leise, aber sodass sie es hört: "Scheiße, jetzt hat sie uns erwischt!" Die hat uns natürlich mit großen Augen angestarrt. Aber der Schein war echt (lacht). So versuche ich, damit umzugehen. Wenn man sich über jeden Pups aufregt, haben wir nur Krieg auf der Erde.

RTL2 zeigt "Abgestempelt!? Hans Sarpei will’s wissen" ab dem 19. Mai immer dienstags um 20.15 Uhr. Nach der Ausstrahlung sind die Folgen 30 Tage lang kostenlos auf TV Now verfügbar.

Anmerkung der Redaktion: watson ist sich darüber bewusst, dass das Wort "Neger" despektierlich ist und auf viele verstörend wirken kann. Da unser Interviewpartner Hans Sarpei selbst so beschimpft wurde und er aktiv Aufklärung über den Missbrauch des Wortes betreibt, haben wir uns bewusst dafür entschieden, den Begriff zu benutzen und seiner Botschaft Gehör zu verleihen.

(ab)

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